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Tag des Islam

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:Tiroler Tageszeitung, 17. Jänner 2015
Datum:2015-01-19

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Es war ein Tag des Antiislamismus. Millionen sind auf die Straße gegangen. Muslime, Juden, Christen und Menschen ohne Religion zeigten den Terroristen ihre Missbilligung. Die Gläubigen gelangten zum Konsens: “Töten im Namen Gottes sei Blasphemie”. Ein Durchbruch im interreligiösen Dialog? Eine Schwalbe, die einen kulturellen Frühling ankündet? Weil sie die Denkschablone, Religion sei bloß Ursache der Gewalt, in Frage stellt? Wie wir es halt jedes Jahr erleben, kommt der Frühling nicht ohne einen erneuten Wintereinbruch.

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Der Kult um die Satirezeitschrift, der die Reaktionen gegen den Terror begleitet und die satirische Verarbeitung des Anschlags durch die überlebenden Redakteure schüren in der muslimischen Welt den Hass auf den “Westen”. Sie verstärken aber auch die Unsicherheit bei den Muslimen in Europa. Weil sie das Vorurteil bedienen, Toleranz sei dasselbe wie Respektlosigkeit. Die Verhöhnung leistet keinen Beitrag zur Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus; vielmehr zementiert sie deren Verschränkung. Die Eskalation ist programmiert. Und weil sie den Fokus auf den “religiösen Fanatismus” lenken wird, hilft sie den Politikern, den Boden, auf dem er gedeiht, erfolgreich zu verdrängen. Das Absingen der Marseillaise im Parlament wird die sozialen Fragen der Vorstädte nicht lösen. Bei deklassierten Muslimen wird es aber die Frage verstärken, ob sie noch Bürger dieses Staates sind.

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Und was geschieht mit der Schwalbe des Frühlings: dem flüchtigen Konsens, das Töten im Namen Gottes sei Blasphemie? Die Religionen müssen den Schulterschluss vom Tag des Antiislamismus pflegen. Ihre eigentliche “Waffe” ist das Gebet. Deswegen müßten gerade die Gläubigen darum beten, dass durch den Wintereinbruch die Schwalbe nicht stirbt. Die Katholische Kirche könnte - zu dem am 17. Jänner gefeierten Tag des Judentums - einen Tag des Islam einführen. Um auch auf diese Weise dem Zerrbild Islamismus und Islam seien identisch, zu wehren. Schlussendlich müßten wir auch für jene beten, die der Verirrung des Islamismus erliegen! Papst Franziskus betete für die Grausamen, damit sie sich bekehren. Johannes Paul II. betete einst gar um die Gabe der Vergebung für die Attentäter. Der Gläubige weiß: nicht Verhöhnung der Feinde garantiert eine gute Zukunft, sondern Fähigkeit zur Versöhnung.

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