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„Alles geben können...” - Laudatio für DDr Mathias Moosbrugger anlässlich seiner zweiten Promotion sub auspiciis Praesidentis rei publicae

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2014-10-24

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Eines Tages ging er mit seinem Vater zu einem alten Bauer. Dieser wollte seine Milchkuh verkaufen. Der Vater fragte nach dem Stammbaum der Kuh. Der alte Bauer wusste nicht, wovon  der Vater sprach. So fragte der Vater nach dem Fettgehalt der Milch. Der Alte sagte, er kenne dieses nicht. Und wie viele Liter sind es pro Jahr? Total aus der Bahn geworfen antwortete der alte Bauer: „Das Einzige, was ich weiß und ihnen auch zusichern kann ist, dass diese gutmütige Kuh wirklich gut sei und dass sie Euch ihre ganze Milch gibt. Einfach alles, was sie hat!

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Sie wären mir an den Leim gegangen, sehr geehrter Herr Bundespräsident, sollten sie gedacht haben ich erzähle eine Anekdote aus dem Leben unseres Promovenden. Kurz nach seiner Wahl, bei seinem Auftritt im Presseclub hat Dwight D. Eisenhower mit dieser Geschichte aus seiner Kindheit den Zuhörerinnen und Zuhörern zugesichert, als Präsident werde er alles geben, was in seinen Möglichkeiten liegt, um seinem Land zu dienen. Er gab auch alles, ist deswegen zu einem der beliebtesten Präsidenten amerikanischer Geschichte geworden.

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Lieber Mathias! Zugegeben: es war ein schräger Einstieg in die Laudatio eines sub auspiciis promovierenden Kandidaten. Eines dazu, der diese Feier bereits aus eigener Erfahrung kennt, bekam er doch schon vor fünf Jahren aus den Händen des Herrn Bundespräsidenten Dr. Heinz Fischer zum Abschluss seines Doktoratsstudiums in der Geschichtswissenschaft den Ehrenring der Republik, ist damit auch der einzige Innsbrucker Student, der auf seiner Alma Mater diese Auszeichnung bekommt. Der Einstieg war schräg, weil Dir - dem liebenswürdigen Wälder, der auf seine bäuerliche Herkunft stolz ist - das bäuerliche Leben doch nicht ganz auf den Leib geschnitten ist. Ein Jeder in deiner Familie kann ja sagen bei den vielen Fotos von Kühen, die es in euren Familienalben gibt, welche Kälber von welcher Kuh stammen, nur du allein kannst die Kühe nicht identifizieren. So etwas mußte hart gewesen sein, für einen Vater, der mit seiner Frau die Landwirtschaft aus dem sprichwörtlichen „Nix” aufbaute, und mit Leib und Seele ein Bauer ist. Und doch haben Mutter und Vater extrem viel Verständnis für ihren ältesten Sohn aufgebracht, der halt Bücher las und dann auch studieren wollte. Sie brauchten dieses Verständnis auf, auch wenn das, was Du tun wolltest, jenseits ihrer Vorstellungskraft lag. Es war ein schräger Einstieg, obwohl Du vom ersten Augenblick deiner Existenz an mit bäuerlichen Umwelt intensivst vertraut bist, wurdest Du doch auf der Alpe gezeugt, auf jener Alpe, wohin dich später deine Mutter auf ihren Schultern trug.

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Und doch: so schräg war die Geschichte wiederum auch nicht, weil nicht nur deine Eltern einfach alles gaben, was sie geben konnten, wenn es um die Zukunft ihrer drei Söhne ging, sondern auch Du - trotz deiner Andersartigkeit (von der ja deine zwei Brüder ein Lied singen könnten) - alles zu geben bereit bist, wenn Du bis heute etwas zum Heuen heimfährst. Diese Logik der gutmütigen Kuh zeichnete deine Schul- und Universitätsbildung aus. Die Faszination an Bildung entfachte bei dir dein Volkschullehrer Alois Peter; richtig sprang der Funke über im BORG in Eck, wo du die für dich  extrem prägende Zeit erleben durftest, schlicht und einfach, weil du mit „Superlehrer” konfrontiert warst. Und dir zum ersten Mal der Gedanke in den Sinn kam: „Ich könnte studieren!”. Dass dabei der Religionslehrer Hans Peter Sutterlüty eine zentrale Rolle spielte, erfüllt dich heute mit Freude.

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Heimweh hast Du in Innsbruck gehabt. Zumindest am Anfang des Studiums. Kein Wunder, dass du dich in Geschichte bald (unter Einleitung vom Koll. Alois Niederstädter) auf den Bregenzerwald konzentriertest und alles, was Du nur konntest in die Forschung gabst, damit auch heute zu einem international bekannten Spezialisten für spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte deiner Heimat wurdest.

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Exzellenz, Magnifizenzen, Spektabilitäten, meine Damen und Herren! Erst irgendwann im Verlauf des Studiums ist bei Moosbrugger auch die Liebe zur Theologieerwacht, auch oder gerade, weil er beim ersten Seminar über unseren Genius loci Karl Rahner (beim Koll. Roman Siebenrock) nichts verstanden hat. So begann er wild zu lesen. Der verstorbene Dogmatiker Lothar Lies gab ihm den Rat: „Suchen sie sich einen Theologen, der ihr Denken strukturiert!” Er hat ihn gefunden. Es ist Raymund Schwager, unser zweiter Genius loci, ein Dogmatiker, der wie kaum ein anderer Theologe seiner Generation die Logik der modernen Forschungskultur und den interdisziplinären Zugang in die wissenschaftliche Theologie brachte.

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Mir freilich ist die Begegnung mit Mathias Moosbrugger zu einem Stück Gnadenerfahrung geworden. Als Raymund Schwager vor zehn Jahren starb, da gab es im Umkreis meiner Studenten einen blutjungen „Kombinierer: Geschichte-Theologie”; einen, der mit der Arbeit im Archiv vertraut war. So konnte ich Moosbrugger mit den Aufgaben der Ordnung und Katalogisierung des Nachlasses von Schwager beauftragen. Obwohl die Arbeit finanziell alles andere als lukrativ war, investierte Mathias alles, was in seinen Möglichkeiten lag. Er kann halt nicht anders! Mit einer Selbstverständlichkeit sondergleichen stockte er sein Theologiestudium auf, um auch in diesem Fach promovieren zu können, schloss sich vom Anfang an dem am Institut für Systematische Theologie etablierten Forschungszentrum: „Religion, Gewalt, Kommunikation, Weltordndung” an, überwand seine Abneigung gegen Fernreisen, reiste zu internationalen Kongressen, half mit bei Organisation der Symposien hierzulande (so etwa beim großen Symposium des Forschungszentrums zum Gedenkjahr 2009 über: „Martyrium als religiös-politische Herausforderung”).

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Das FWF Projekt: „Raymund Schwager: Dramatische Theologie” (http://www.uibk.ac.at/systheol/schwagerdrama/) ermöglichte ihm für einen längeren Zeitraum auch finanzielle Sicherheit und institutionelle Beheimatung an der Theologischen Fakultät unserer Universität. Mit der einem Vollblutshistoriker eigenem Eifer stürzte er sich in die Rekonstruktion des unvollendeten Manuskriptes über „Dogma und dramatische Geschichte”, in die Korrespondenz und sonstige Notizen Schwagers. Er half mit bei der Konzeption der Edition der Gesammelten Schriften von Schwager (dass der erste Band derselben nur zehn Jahre nach dem Tod dieses großen Dogmatikers im Herderverlag erschien (http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/1056.html), ist zum großen Teil sein Verdienst. Bei einem derartigen Charakter was lag es da näher als eine inhaltliche Fokussierung seiner theologischen Interessen auf die Frage der Opferthematik. Das Problem der Ambivalenz des Opfers, zuerst natürlich des Missbrauchs der Hingabereitschaft, vor allem aber der für jede Gesellschaft überlebensnotwendigen Mentalität des Engagements, des Verzichts, schlicht und einfach der Proexistenz: des Lebens für andere, eine Haltung also, die bereit ist „alles zu geben, was in meinen Möglichkeiten liegt”, diese Thematik wurde zum Forschungsgegenstand seiner Dissertation. Entstanden ist eine brillante, inzwischen mehreren Preisen ausgezeichnete (darunter auch mit dem renommiertem Karl-Rahner-Preis) Dissertation: „Die Rehabilitierung des Opfers. Zum Dialog zwischen René Girard und Raymund Schwager über die Angemessenheit der Rede vom Opfer im christlich-theologischen Kontext”.

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Sind - meine Damen und Herren - bei einer derart gestrickten Persönlichkeit noch Fragen jener Art von Bedeutung, die der Vater des amerikanischen Präsidenten Eisenhower an den alten Bauer stellte? Moosbrugger hat natürlich die im Wissenschaftsbetrieb bei der Evaluation abgefragten Kriterien erfüllt und hat gemäß dieser Logik außerordentliche Qualitäten auszuweisen. Er hat inzwischen vier Monographien veröffentlicht und vier weitere Bände (mit)herausgegeben, mehr als 30 Aufsätze (darunter mehrere in Englisch) publiziert, zahlreiche Vorträge gehalten und etliche Preise bekommen. Doch ist das wichtig, bei einer (noch so kurzen) Lebensgeschichte, die sich aus der Spiritualität der Hingabe an das, was man tut, speist? Über die Zeit des hauptamtlichen Engagements am genannten FWF-Projekt hinaus ist Moosbrugger ja momentan ehrenamtlich genauso mit „Herz und Seele” beim Projekt als Koordinator dabei, wie er sein Probejahr an einer Innsbrucker Mittelschule mit „Herz und Seele” absolvierte, oder nur bei seinem Pastoraljahr an der Pfarre Allerheiligen/Kranebitten dabei ist.

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„Hast Du Träume?” - habe ich ihn mal gefragt? „Ich würde gerne lesen und schreiben können und auch unterrichten!”, sagte er, aber erst auf die Nachfrage hin nach den Träumen im akademischen Kontext. Die erste und spontane Antwort lautete anders: „Ein gutes Leben mit Verena führen!”. Verena ist seine Frau. Lieber Mathias, ich wünsche Dir, dass es für dich doch noch einen akademischen Weg gibt, den Weg der Forschung und der Lehre, damit Du den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von morgen etwas von jener Haltung vermitteln kannst, die dir selber eigen ist. Deine interdisziplinär ausgerichtete Kompetenz in Sachen Sozialgeschichte, Religion und gesellschaftliches Zusammenleben ist für unsere Gegenwart sehr wichtig; die Frage einer neuen - positiv gewendeten - Integration der Religion im öffentlichen Bereich rührt ja inzwischen an den überlebensnotwendigen Bedingungen.

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Meine Damen und Herren! Habe ich noch zu mir selber zu sagen?  Ich danke Gott, dass ich Lehrer von diesem - doch noch so jungen Mann - sein durfte.

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