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Nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt ...
(Gedanken zum 6. Sonntag der Osterzeit (LJ C))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2013-05-29

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (Apg 15,1-2.22-29); Offb 21,10-14.22-23; Joh 14,23-29)

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Liebe Gläubige,

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die beiden heutigen Texte machen einen breiten Raum auf: zwischen Jesus, der noch auf Erden ist und seinen Weggang vorbereitet, indem er verspricht den Heiligen Geist zu senden und seinen Frieden zu hinterlassen – und der Vollendung der Welt: dem Herabkommen des himmlischen Jerusalem mit Gott in seiner Mitte, der es erleuchtet durch das Lamm; und Gott und dieses Lamm sind in der Mitte dieser Stadt an Stelle eines Tempels, also eines Ortes, an dem Gott symbolisch gegenwärtig ist. Denn im endzeitlichen Jerusalem ist er unmittelbar gegenwärtig.

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Wir selbst befinden uns dazwischen. Wir befinden uns in dieser Zeit des Heiligen Geistes und des von Christus hinterlassenen Friedens – aber noch nicht in der endgültigen Verherrlichung. Letzteres ist uns ganz ohne Zweifel klar, denn wir erfahren uns nicht als in der letzten Vollendung; Gott und Christus sind unter uns gegenwärtig, aber auf realsymbolische Weise und noch nicht von Angesicht zu Angesicht. Aber ist uns das Erste auch klar? Spüren wir, dass wir als Getaufte und dann noch einmal auf neue Weise als Gefirmte den Heiligen Geist empfangen haben? Spüren wir den Frieden, den Christus uns hinterlassen hat? Meistens müssen wir das wohl verneinen. Was ist das auch für ein spezieller Friede, einer, den die Welt nicht gibt?

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Was für einen Frieden erhoffen wir uns denn und welchen gibt die Welt? Erhoffen wir uns nicht allzu oft einen Frieden nach unseren Regeln: eine Harmonie, die deshalb besteht, weil alle nach meiner Pfeife tanzen; eine Ruhe, die dadurch zustande kommt, dass die anderen meine Regeln annehmen und meine Sicht der Dinge teilen? Ja, noch deutlicher: Suchen wir nicht allzu oft einen Frieden, der darin besteht, dass uns alles gelingt; dass wir keinen Gegenwind spüren; dass allen das heilig ist, was mir heilig ist – und alle meine Prioritäten teilen? Diese Hoffnung auf Frieden dürfte eine Illusion sein. In unserer Welt gibt es berechtigter Weise unterschiedliche Auffassungen und Ansichten – und es gibt dazu noch Verblendung und sündhafte Blindheit. Das alles trägt dazu bei, dass es diesen angeblichen Friede-Freude-Eierkuchen-Frieden nur ganz selten und nur für kurze Zeit gibt – und selbst dann stellt er sich meist als Illusion heraus. Brauchen wir aber diese Harmonie, um Frieden zu haben? Jesus sagt: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“ Das gilt doch wohl gerade auch, wenn wir meinen, der Friede entwische uns, er fliehe vor uns, das Leben sei ein dauernder Kampf um meinen Platz in der Welt und um meine Rechte. In unserer Welt ist das oft so – aber müssen wir deshalb den Frieden vermissen, den Christus gibt?

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Doch bevor es besser wird, wird es noch schlimmer. Wie reagieren wir denn, wenn unsere Harmoniesucht enttäuscht wird – nicht oft mit Ärger, Ablehnung, gar Hass? Wenn jemand das, was mir heilig ist, ablehnt, beschmutzt, mir verleidet – dann verteidige ich mich doch nur, wenn ich gegen diesen Unruhestifter vorgehe. Ja, vielleicht braucht es seine Zerstörung, damit der Friede endlich einkehren kann?! Ich denke, genau das ist der Friede, wie die Welt ihn gibt. Dieser ist immer ein Friede, der aus der Gewalt gegen die Störenfriede hervorgeht. Wir fahren mit Macht dazwischen, wenn Unfriede herrscht und stellen so den Frieden wieder her: Erwachsene tun das, wenn sie kindlichen Streit mit Gebrüll beenden; Polizisten, wenn sie mit staatlich sanktionierter Gewalt das Verbrechen bekämpfen; Soldaten tun es, wenn sie mit Waffengewalt eine Waffenrufe erzwingen. Und oft ist das ja tatsächlich die einzige Möglichkeit: Hitler konnte man ab einem gewissen Moment nicht mehr anders stoppen; das Morden im Kosovo wurde erst durch militärische Intervention beendet; und heute streiten sich die Experten, ob der Westen in Syrien eingreifen müsse aus moralischer Verantwortung – oder ob ein solches Eingreifen alles nur noch schlimmer machte. Aber – ob gerechtfertigt oder nicht, ob notwendig oder nicht – ein solcher Friede ist nur ein Friede, wie die Welt ihn gibt: er kommt durch Gewalt zustande und oft hält er nicht lange, dann bricht die nächste Gewaltwelle los. Vielleicht gehen ja der unrealistische Wunsch nach einem absolut harmonischen Frieden und das immer wieder geschehende Abgleiten in die Gewalt, die nur mit kanalisierter Gewalt wieder gestoppt werden kann, Hand in Hand: Friede, wie die Welt ihn ersehnt und wie die Welt ihn gibt. Die Opfer bleiben auf der Strecke: die kindlichen Opfer der Gewalt von Erwachsenen, die Opfer der Fehlurteile der Justiz, die Opfer der Übergriffe von Polizei, die Opfer der unkontrollierbaren Eigendynamik der Kriege – auch der aus moralischen Gründen geführten.

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Jesus Christus, der uns dagegen seinen Frieden zusagt, war selbst so ein Justizopfer. Er weiß genau, wovon er redet. Und sein Friede ist so ganz anderer Art. Man kann ja vieles über Jesus behaupten, aber konfliktscheu und harmoniesüchtig war er ganz bestimmt nicht. Wie er mit den Pharisäern und Schriftgelehrten streitet, das ist schon manchmal ziemlich hart. Aber er streitet nie um seiner selbst und seiner Interessen willen. Er streitet für das Heil anderer Menschen: dafür, dass sie nicht ausgegrenzt, verteufelt, gesteinigt, verurteilt werden. Dafür geht er massive Konflikte ein, die er aber im Geist der Feindesliebe austrägt. Denn, als es darauf ankommt, stellt er den Frieden nicht mit gerechter Gewalt her, sondern beugt sich sogar ungerechter Gewalt und lässt zu, dass diese Gewalt sich bis zum Ende – zu seinem Ende nämlich – austobt. Dann, nachdem sie sich ausgetobt hat, ist zunächst wieder der Friede, den die Welt geben kann: der Störenfried ist tot, wir haben unseren Frieden. Und doch: dieser Friede ist immer bedroht. Gibt es nicht doch noch Sympathisanten, die sich rächen könnten? Wir haben ihren Tempel zerstört, werden sie nun unseren niederreißen?

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Von Jesus heißt es, er werde den Tempel seines Leibes in drei Tagen wieder auferbauen. Und weil er das tut, weil er das Resultat des innerweltlichen Gewaltfriedens – seinen Leichnam – wieder zu einem lebendigen Leib macht, und weil er in diesem Realsymbol seiner Liebe als Auferstandener zu den Menschen geht und ihnen den Frieden schenkt – denen, die ihn verleugnet und verlassen – ja auch jenen, die ihn verspottet und hingerichtet haben –, darum ist das ein anderer Friede als der, den die Welt gibt. Er kommt nicht aus der Gewalt, sondern aus ihrer Überwindung; genauer: er kommt aus ihrer gewaltlosen Überwindung.

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Der Friede, den Jesus schenkt und den die Welt nicht gibt, ist ein Friede, der Konflikte nicht scheut und auch nicht in Hass umschlägt, wenn er auf Widerstand und Gewalt stößt. Sondern gerade dann zeigt er seine Friedfertigkeit dadurch, dass er nicht auf Gegengewalt vertraut, sondern trotz der Gewalt die Liebe aufrecht erhält und nach dem Verebben der Gewalt den Frieden wieder zuspricht. Dieser Friede ist nicht harmoniesüchtig und illusionär; er weiß, dass die Mächte der Welt ihm widerstreiten; aber er weiß auch, dass er sich davon nicht beunruhigen lassen muss, weil die Macht Gottes, die sich in Jesus Christus als gewaltfreie Allmacht geoffenbart hat, immer größer ist als alle Gegengewalt. Es ist die Macht der Liebe des dreifaltigen Gottes, die stärker ist als der Tod.

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Liebe Gläubige,

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wenn ich das so sage, dann wird mir – und ich nehme an, auch Ihnen – deutlich, wie weit ich von diesem inneren Frieden noch weg bin. Wir haben ihn selten; wir vertrauen viel zu oft noch auf den Frieden, den die Welt gibt. Ja, ich denke sogar, wir müssen oft auf diesen Frieden zurückgreifen, weil wir es anders nicht aushalten würden. Aber wir sollen wissen, dass dies nicht der Friede ist, den Jesus uns hinterlassen hat. Sein Friede ist ganz anderer Art. Bedenken wir das in unserem Alltag, wenn es wieder mal nicht so läuft, wie wir uns das wünschen. Und bedenken wir es in der Messe beim Friedensgruß: Der Friede Christi, den wir uns dabei zusprechen, gilt trotz unserer kleinlichen menschlichen Konflikt. Bitten wir den Heiligen Geist, der in uns wie in einem Tempel wohnt – und uns dadurch zu Realsymbolen der Gegenwart Gottes in der Welt macht –, dass dieser Friede in uns lebendiger werde.

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