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Das Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus (Lk 16,19-31)
(Predigt zum 26. Sonntag im Jahreskreis (LJ C))

Autor:Hasitschka Martin
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2007-10-02

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Ein starker Kontrast wird uns vor Augen geführt. Im Inneren des Hauses sehen wir den Reichen in kostbarster Kleidung, in Luxus und verschwenderischem Lebensstil. Draußen vor der Tür des Reichen erblicken wir den Armen, am Boden liegend, mit Geschwüren bedeckt und ausgehungert. Niemand kümmert sich um ihn. Hunde lecken an seinen Geschwüren. Dieser Kontrast betrifft die irdische, soziale Wirklichkeit.

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Wir werden noch mit einem anderen Kontrast konfrontiert, der die Wirklichkeit jenseits der Todesgrenze betrifft. Oben im himmlischen Bereich erblicken wir den armen Lazarus in Abrahams Schoß. Mit diesem Bild verbinden wir den Gedanken der Geborgenheit und innigen Beziehung. Lazarus in Abrahams Schoß ist auch Sinnbild der Zugehörigkeit zum Gottesvolk, das durch den Stammvater Abraham begründet wurde und bei ihm im Himmel zur Vollendung gelangt. Unten im Bereich der Unterwelt sehen wir den Reichen. Feuerflammen sind Sinnbild für die Qualen, die er erleidet. Seine schlimmste Qual ist der Durst.

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In ihrem irdischen Leben sind der Reiche und der Arme durch eine Haustür getrennt. Im Jenseits ist zwischen beiden ein unüberwindlicher Abgrund.

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Den größten Teil des Sonntagsevangeliums nimmt das Gespräch zwischen Abraham und dem Reichen ein. Es bringt uns eine doppelte Überraschung.

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Die erste Überraschung: Der Reiche leidet Qualen nicht etwa als Strafe für schlechte Taten oder Sünden, oder weil er sich um den Armen vor seiner Tür nicht gekümmert hat, sondern weil sein Verlangen nach Lebenserfüllung und seine Sehnsucht nach Glück nicht über das irdische Leben hinausging. Abraham sagt ihm: „Kind, denk daran, dass du dein Gutes schon empfangen hast in deinem Leben.“ Der Reichtum hat die ins Menschenherz eingepflanzte Sehnsucht nach Gott erstickt, der Wohlstand hat die über das irdische Leben hinausweisende Hoffnung auf unvergängliches Heil verkümmern lassen.

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Wir werden an Jesu Seligpreisungen und Weherufe erinnert (Lk 6,20-26). Die erste Seligpreisung lautet: „Selig ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes!“ Diese Seligpreisung gilt in besonderer Weise dem Lazarus Die Wirklichkeit des Reiches Gottes erfährt Lazarus jetzt, wenn er in Abrahams Schoß getröstet wird. Der erste Weheruf lautet: „Weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt euren Trost schon empfangen.“ Wie ein Echo auf diesen Weheruf Jesu sind die Worte des Abraham an den Reichen: Du hast dein Gutes schon empfangen.

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Lazarus repräsentiert einen Menschen, der in jeder Hinsicht zu kurz kommt im irdischen Leben. Er kommt aber nicht zu kurz bei Gott. Der Reiche verkörpert einen Menschen, der seinen Trost allein im irdischen Leben sucht und darüber hinaus nichts erwartet. Seine tiefste Sehnsucht bleibt verschüttet und bricht erst nach dem Tod auf als qualvoller Durst.

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Die zweite Überraschung: Der Reiche in der Unterwelt bittet für seine Brüder, die noch auf Erden sind. Abraham soll ihnen den auferweckten Lazarus schicken. Wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, wird sie das, so meint er, aufrütteln. Überraschend antwortet Abraham: „Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.“ Dem Reichen ist schmerzlich bewusst, dass er selber sein Leben lang nicht richtig oder zu wenig gehört hat. Die Sorge um den Reichtum hat die Hörbereitschaft für den lebendigen Gott geschwächt.

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In der Antwort des Abraham vernehmen wir noch einen anderen, tieferen Klang. „Wenn einer von den Toten aufersteht“ - nicht nur an Lazarus denken wir dabei, sondern auch an Jesus. Er ist tatsächlich von den Toten auferstanden. Er ist für uns Zeugnis und Beweis dafür, daß Gott Macht hat Leben zu schenken über den Tod hinaus. Auf den lebendigen Gott hören heißt für uns auch: auf Jesus hören.

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Von der Lazaruserzählung her fällt besonderes Licht in unser Leben. Wenn wir auf Jesus hören, der von den Toten auferstanden ist, werden wir auch hellhörig für Notleidende, die im übertragenen Sinn vielleicht auch vor unserer Tür liegen.

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Von der Lazaruserzählung her fällt noch in einer anderen Hinsicht Licht in unser Leben. Im Unterschied zum Reichen hat der Arme einen Namen. Er ist nicht ein anonymer Sozial- oder Krankheitsfall, sondern er wird - wenn auch nicht von Mitmenschen, so doch von den Bewohnern der himmlischen Welt - als Person geachtet. Wie sehr er als Person geschätzt und geliebt wird, zeigt das Bild vom Geborgensein in Abrahams Schoß. Etwas Vergleichbares geschieht, wenn wir ein weinendes Kind beim Namen rufen, auf den Schoß nehmen, umarmen und trösten. Vielleicht gibt es in unserem Leben Erfahrungen von Leid, die im übertragenen Sinn nahe an die des Lazarus herankommen. Ich denke, wir dürfen für Lazarus unseren eigenen Namen einsetzen. Das bestärkt uns in der Gewissheit: Leid in welcher Form auch immer kann nicht unsere Würde als Person rauben und kann nicht unsere persönliche Beziehung zu Gott in Frage stellen. Übrigens: Der Name „Lazarus“ bedeutet „Gott hilft“.

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