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Erstes weltweit vollständiges Gletscherinventar erstellt

Was bisher nur für wenige Gebiete galt, ist jetzt für alle Gletscherregionen der Erde bekannt: „Endlich wissen wir, wie viele Gletscher es auf der Erde gibt, wo sie sich befinden, wie groß sie sind und wie viel Eis in ihnen gespeichert ist“, sagt der Innsbrucker Glaziologe Georg Kaser. Das von ihm mitinitiierte globale Gletscherinventar ermöglicht erstmals zuverlässige Berechnungen des zukünftigen Beitrags der Gletscher zum regionalen Wasserhaushalt sowie zum globalen Meeresspiegelanstieg.


Eine große internationale Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat so gut wie alle Gletscher auf der Erde kartiert und in computerlesbare Form im Randolph Gletscher Inventar (RGI) zur Verfügung gestellt. Dank dieser Anstrengungen ist es für Glaziologen nun möglich, mit bisher nicht erreichter Genauigkeit die Auswirkungen des Klimawandels auf jeden einzelnen Gletscher weltweit zu berechnen. Insgesamt bedecken die rund 200.000 Gletscher der Erde (ohne die Eischilde Grönlands und der Antarktis) eine Fläche von etwa 730.000 km2 und haben ein Volumen von rund 170.000 km3. „Damit wurde die genaue Modellierung der Gletscherreaktion auf Klimaänderungen stark verbessert“ sagt Georg Kaser vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Innsbruck.

„Dieser Zugewinn an Daten bedeutet vor allem, dass die Wissenschaftler jetzt Berechnungen machen können, welche zuvor schlichtweg unmöglich waren“, sagt Graham Cogley von der Trent Universität in Canada, einer der Koordinatoren der Arbeiten am Gletscherinventar. Ein heute in der Fachzeitschrift Journal of Glaciology veröffentlichter Aufsatz stellt das Inventar sowie erste darauf aufbauende statistische Analysen zur Verteilung der Gletscher weltweit vor.

Wichtige Grundlage für Weltklimabericht

Der Hauptgrund für die Vervollständigung des Inventars war der kürzlich veröffentlichte fünfte Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC). Zahlreiche Studien, die eine erste Version des Gletscherinventars verwendet hatten, lieferten entscheidende Beiträge zu diesem Bericht. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand einen sinnvollen Fortschritt bezüglich der Bestimmung der zukünftigen Gletscheränderungen hätte machen können, wenn es das Randolph Gletscher Inventar nicht gegeben hätte“, sagt Tad Pfeffer von der Universität von Colorado, der Erstautor der Studie.

„Der spontane Einsatz und die Zusammenarbeit der vielen Kolleginnen und Kollegen aus allen Teilen der Erde ist weit über das hinausgegangen, was wir uns bei der Bitte um Hilfe im Vorfeld des jüngsten IPCC Berichts erwarten durften. Die Datensammlung hat ganz wesentlich zu den im IPCC Bericht erarbeiteten Erkenntnissen beigetragen, und der weitere große Nutzen für die Glaziologie beginnt sich gerade abzuzeichnen“ sagt Georg Kaser, der das Projekt zusammen mit Tad Pfeffer und Graham Cogley initiiert hat und als Leitautor am IPCC Bericht ebenfalls davon profitierte.

Gletscher tragen derzeit ein Drittel zum Anstieg des Meeresspiegels bei

Die gesamte Gletscherfläche der Erde ist etwa so groß wie Deutschland, Dänemark und Polen zusammengenommen. Das in den Gletschern gespeicherte Eis enthält zwischen 35 und 47 cm Meeresspiegeläquivalent an Wasser, d.h. der Meeresspiegel würde um diesen Betrag steigen, wenn alle Gletscher komplett schmelzen würden. Das ist weniger als die bisher angenommenen ca. 60 cm und macht weniger als ein Prozent jener Eismasse aus, die in den Eisschilden Grönlands und der Antarktis gespeichert ist (etwa 63 m Meeresspiegeläquivalent). Allerdings sind die Gletscher dem globalen Temperaturanstieg sehr viel stärker ausgesetzt als die Eisschilde, da sich das Eis der Gletscher generell bereits am Schmelzpunkt befindet, während das Eis der Eisschilde erst erwärmt werden muss. Die Gletscher tragen daher zurzeit etwa Drittel zum beobachteten Meeresspiegelanstieg bei, genau so viel wie die beiden Eisschilde zusammen. Der Rest geschieht durch die thermische Ausdehnung des Meerwassers.


Das Randolph Gletscher Inventar  basiert auf der gemeinsamen Arbeit von 74 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 18 Ländern. Daran beteiligt war auch der Südtiroler Glaziologe Philipp Rastner, der in Innsbruck studiert hat und nun an der Universität Zürich forscht. Der enge Zeitplan des IPCC Berichts verlangte eine rasche Fertigstellung des RGI. Dies wurde durch den Beitrag zahlreicher freiwilliger Helfer, der intensiven Verwendung von Satellitendaten, sowie der Anwendung von Methoden der Geoinformatik erreicht. Eine bereits bestehende aber unvollständige Datenbank (GLIMS, Global Land Ice Measurements from Space) diente als Grundstein für die Erstellung des RGI. Zahlreiche Projekte, welche durch die Europäische Weltraumagentur ESA (z.B. GlobGlacier, Glaciers_cci, CryoClim), die Europäische Union (ice2sea), die NASA, den österreichischen Wissenschaftsfonds FWF sowie verschiedene Universitäten (darunter die Universität Innsbruck) finanziert wurden, trugen maßgeblich zum Gelingen des RGI bei. Nicht zuletzt hat die finanzielle Unterstützung der International Association of Cryospheric Sciences (IACS) sowie des International Arctic Science Council (IASC) eine Reihe von Treffen der Koordinationsgruppe ermöglicht.

 

Publikation: The Randolph Glacier Inventory: a globally complete inventory of glaciers. W. Tad Pfeffer, Anthony A. Arendt, Andrew Bliss, Tobias Bolch, J. Graham Cogley, Alex S. Gardner, Jon-Ove Hagen, Regine Hock,
Georg Kaser, Christian Kienholz, Evan S. Miles, Geir Moholdt, Nico Mölg, Frank Paul, Valentina Radic, Philipp Rastner, Bruce H. Raup, Justin Rich, Martin J. Sharp, The Randolph Consortium. Journal of Glaciology, Vol. 60, No. 221, 2014 (http://www.igsoc.org/journal/60/221/j13J176.html) doi: 10.3189/2014JoG13J176