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Uni Innsbruck leitet neues EU-Projekt zur Verbesserung von Saatgutqualität

Jährlich werden immense Mengen an Saatgut durch die Folgen des Klimawandels, aber auch durch falsche Lagerung unbrauchbar. Wie sich die Pflanzensamenqualität verändert, wenn die Mutterpflanze unter Umweltstress leidet und wie die Lagerung verbessert werden kann, klären Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa in einem neuen, an der Universität Innsbruck koordinierten EU-Projekt. Für das Forschungsvorhaben stehen knapp 3 Millionen Euro zur Verfügung.


Jedes noch so kleine Samenkorn hat ein Eigenleben. Wie lange es lagerfähig ist, wie es keimt, wann es keimt und wie kräftig der Spross ist, hängt von jenen Informationen ab, die ihm die Mutterpflanze mitgibt. Aber auch die Bedingungen, unter denen Saatgut gelagert wird, haben großen Einfluss auf Qualitätsmerkmale wie Langlebigkeit, Keimfähigkeit, Dormanz (siehe weiter unten), und Triebkraft. Diese sind für Saatgutindustrie und Landwirtschaft von essentieller wirtschaftlicher Bedeutung: Allein durch den Temperaturanstieg entstanden in den Jahren 1981 bis 2002 weltweit laut Expertenschätzungen jährlich Schäden in der Höhe von 5 Milliarden Dollar durch Ernteverluste bei den Hauptgetreidesorten. Letztendlich ist die Saatgutqualität auch ein wesentlicher Faktor für die Ernährungssicherheit und – im Fall von Wildpflanzen für die Erhaltung der Biodiversität.

„Die Qualität von Saatgut wird durch hochkomplexe biochemische, biophysikalische und molekulare Mechanismen in der Mutterpflanze und im Samen bestimmt, die wir noch kaum verstehen“, erklärt Univ.-Prof. Ilse Kranner vom Institut für Botanik der Universität Innsbruck, die das EU-Projekt EcoSeed leitet. Im Rahmen des Forschungsvorhabens soll an vier repräsentativen Kultur- und Wildpflanzen – Gerste, Sonnenblume, Kohl und Schotenkresse – geklärt werden, welche Auswirkungen es auf die Samen hat, wenn die Mutterpflanze Trockenheit und Temperaturanstieg ausgesetzt ist. In einem weiteren Schritt will man untersuchen, wie sich bestimmte Lagerbedingungen wie Temperatur, Feuchtigkeit und veränderter Sauerstoffgehalt der Luft auf die Saatgutqualität auswirken. Auch für die Erhaltung von Wildpflanzen wollen die Forscherinnen und Forscher neue Erkenntnisse gewinnen. 11 renommierte europäische Arbeitsgruppen sind am Projekt beteiligt, darunter die Millennium Seedbank der Royal Botanic Gardens Kew, weltweit die größte Genbank für Wildpflanzen und das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben, die größte Genbank für Kulturpflanzensamen in der EU. „EcoSeed vereint die Aspekte Ernährungssicherheit und Naturschutz und bringt hochkarätige Experten aus ganz Europa zusammen“, betont Kranner.

Schaltstellen als Schicksalsfaktoren

Wie komplex die Vorgänge in Samen sind, illustriert Ilse Kranner am Beispiel der Dormanz. Dormanz ist die Unfähigkeit eines Samens, trotz optimaler Umweltbedingungen zu keimen. „In unseren Klimazonen kann ein Same im Herbst von der Mutterpflanze abgeworfen werden, keimt aber nicht, auch wenn alle Rahmenbedingungen wie Temperatur und Bodenfeuchtigkeit stimmen. Er benötigt ein paar Wochen Kälte, bevor er keimen kann. Dann „weiß“ er, dass Frühling ist“, erklärt die Wissenschaftlerin. Diese wichtige Eigenschaft wird – wie auch die anderen untersuchten Saatguteigenschaften – über den gesamten Lebenszyklus von Pflanzen, beginnend mit der Samenentwicklung über die Lagerung und Keimung bis hin zur Etablierung der nächsten Pflanzengeneration von Signal- und Botenstoffen gesteuert. Eine besondere Rolle kommt dabei Schaltstellen, sogenannten „Signalling Hubs“ zu. Sie bestimmen das weitere Schicksal des Samens, z.B. ob er abstirbt, dormant wird oder keimt. Diese komplexen Schaltstellen stehen insbesondere im Mittelpunkt von Ilse Kranners Forschungsinteresse. Geforscht wird mit verschiedenen modernen Analysetechniken, u.a. mit „Omik“-Verfahren (Transkriptomik, Proteomik, Metabolomik): Mit ihrer Hilfe werden Gen-, Protein- und Stoffwechselprodukte über mehrere Generation der Modellpflanzen hinweg analysiert.

Daten und Fakten

Das Projekt „Impacts of Environmental Conditions on Seed Quality“ (Kurzname „EcoSeed“) wird durch das 7. EU-Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung gefördert. EcoSeed startete Anfang 2013 und ist auf vier Jahre finanziert. Das Kick-off-Meeting fand am 4. Februar an der Universität Innsbruck statt. Das Fördervolumen beträgt knapp 3 Millionen Euro. Neben der Universität Innsbruck (Österreich) sind folgende 10 Institutionen und Industriepartner beteiligt: Royal Botanic Gardens, Kew (Großbritannien), Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (Deutschland), Université Pierre et Marie Curie (Frankreich), Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung (Deutschland), Warwick University (Großbritannien), Institut National de la Recherche Agronomique (Frankreich), University of Leeds (Großbritannien), Universidad de Salamanca (Spanien), Commissariat à l’énergie atomique et aux énergies alternatives (Frankreich) und Limagrain Europe (Frankreich).