Regionalität hat Zukunft

Regionale Marken und Produkte ziehen auf Grund ihrer typischen Leistungsgeschichte im Zeitablauf immer mehr Menschen in ihren Bann.Günther Botschen vom Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus spricht über die Bedeutung von Regionalität und regionalen Produkten.
Dr. Günther Botschen
Dr. Günther Botschen

 

iPoint: In Zeiten der Krise wird wieder gerne das Wort Regionalität in den Mund genommen. Welche Bedeutung hat dieser Begriff für Sie?

 

Günther Botschen: Für mich als Einheimischen bedeutet Regionalität Vertrautes und Zugehörigkeit. Für Gäste ermöglicht die Regionalität Neues und Anderes zu erleben. Durch die globale Bewegung wurde und wird die Regionalität neu stimuliert. Während in der globalen Welt Unterschiede verwischen, besinnen sich die Menschen wieder auf ihre Umgebung. Traditionen und Bräuche, die Rückhalt und Gemeinsinn vermitteln, rücken in den Vordergrund. Die Region bietet sich als Referenzpunkt für verstärkte Identitätsbildung an und wirkt damit der globalen Entwurzelung entgegen.

 

iP: Warum orientieren sich Konsumenten überhaupt an regionalen Produkten?

 

Günther Botschen: Hauptgründe liegen sicherlich in der Transparenz und Sicherheit. Ich weiß, woher die Dinge kommen und Vertrautem kann ich besser vertrauen. Dazu kommen noch wichtige Faktoren wie Ökologie und Strukturförderung. Kurze Transportwege und damit einhergehende geringere Belastung der Umwelt kommen mir selbst zu Gute und wertvolle Traditionen und Institutionen sollen gepflegt werden. Aber auch Protektionismus und Chauvinismus werden - bewusst oder unbewusst – eine Rolle spielen. Die Wertschöpfung soll in unserer Region bleiben und Produkte und Leistungen aus dem Tiroler Umfeld sind mir einfach sympathischer. Eine besondere Bedeutung kommt dabei auch den Medien zu. Sie sind für die Wahrnehmung des regionalen Raumes mitverantwortlich und beeinflussen damit die Entstehung regionaler Identität.

 

iP: Können regionale Marken auf Dauer im harten internationalen Wettbewerb bestehen?

 

Günther Botschen: Ja, das können sie, denn regionale Marken und Regionen ziehen aufgrund ihrer authentischen Leistungsgeschichte im Zeitablauf immer mehr Menschen in ihren Bann. Natürlich können sich regionale Marken nicht nur auf den Regionalitätsbonus verlassen, sondern müssen auch ihre Hausaufgaben in der Produkt- und Leistungsqualität machen. Aber regionale Produkte sind nur begrenzt verfügbar und schaffen damit eine begehrenswerte Knappheit, die global verfügbaren Standardprodukten gegenüber gesetzt werden kann.

 

iP: Ist die im Durchschnitt oft kleine Betriebsgröße regionaler Produzenten nicht ein Problem?

 

Günther Botschen: Diese kann auch ein Vorteil sein. Man ist kleiner, überschaubarer, hat weniger mit Bürokratie zu kämpfen. Man kann als Unternehmer schlichtweg flexibler agieren. Die Kleinstrukturiertheit ist oft ein Vorteil gegenüber den „großen Schiffen“ und lässt Produzenten Krisen unter Umständen besser überstehen.

 

iP: Was sind die Erfolgskriterien für einen regionalen Produzenten oder eine regionale Marke?

 

Günther Botschen: Wenn es gelingt, die oben erwähnten Vorteile regionaler Herkunft mit attraktiven Leistungsmerkmalen zu verbinden kann sicherlich von Erfolgskriterien gesprochen werden. D.h. der Konsument erhält beides – Herkunft aus Tirol und eine herausragende Produktqualität. Lassen Sie mich einige sehr erfolgreiche Tiroler Markenbeispiele skizzieren. Die Firma Hörtnagl, eine langjährig verankerte Tiroler Geschichte, hohe Qualität der Rohstoffe und akribische Verarbeitungsqualität, die kontinuierlich gepflegt wird. Hörtnagl verkörpert damit herausragendes Metzgerhandwerk, das besten Geschmack und Frische bei ihren Delikatessen sicherstellt. Es würde keinen Sinn machen auf Massenprodukte zu setzen. Ein weiteres schönes Beispiel ist die Firma MPREIS. Die gelungene Transformation kleiner Lebensmittelläden in moderne Supermärkte unter Beibehaltung der Tiroler Identität ist beispielhaft. Die sinnliche Ästhetik, die die Architektur vermittelt löste international Aufsehen und Anerkennung aus. Die von Therese Fiegl betreute Bauernkiste, die ganz nach den Wünschen der Konsumenten zusammengestellt vor die Türe gestellt wird oder auch die Tiroler Edle, die erst vor kurzem sich an die Spitze der handgeschöpften Schokoladen stellte. Auch der von der Agrarmarketing begleitete Tiroler Jahrling oder das kürzlich lancierte Tiroler Freilandei „Goggei“ der Familie Schweiger in Kolsass sind wunderbare Beispiele, wo sich engagiertes Unternehmertum und andersartige regionale Leistungsgestaltung in aufstrebenden Marken niederschlagen. Je nach Produktkategorie spielen natürlich andere Qualitätskriterien eine Rolle. Wichtig für die Schaffung eines Erfolgskriteriums ist die sinnvolle authentische Verknüpfung mit der Regionalität. Dabei kann aus der regionsspezifischen Natur (Klima, Bergwelt, Kulturlandschaft, Pflanzenwelt etc.) oder aus einer regional verankerten Firmentradition, wie z.B. dem Metzger Piegger oder der neuen „Reinen“ der Seifenfabrik Walde, geschöpft werden.

 

iP: Besteht dann nicht die Gefahr hemmungslos kopiert zu werden?

 

Günther Botschen: Nein, die meisten dieser Produkte sind exklusiv d.h. sie können nicht losgelöst vom Standort und der Firmentradition reproduziert werden. Hinzu kommt, dass diese Unternehmer sehr tief im Thema drinnen sind und mit ihren Mitarbeitern Kompetenzen über einen langen Zeitraum erarbeitet haben. Nur die Hülle zu kopieren reicht da nicht, um beim Konsumenten glaubwürdig und am Markt erfolgreich zu sein.

 

iP: Welche Defizite sehen Sie in der Umsetzung von Regionalität in Tirol?

 

Günther Botschen: Kein Unternehmer kann sagen, sein Produkt oder seine Dienstleistung sei am Zenit angelangt. Es gibt in den unterschiedlichsten Bereichen Verbesserungsmöglichkeiten, die wahrgenommen werden sollten. Wichtig dabei ist, authentisch zu bleiben und nicht zu simulieren. Im Lebensmittelbereich wird Frische und Geschmack sicherlich ein wichtiges Thema bleiben. Herkunft aus Tirol reicht nicht, es muss auch frisch sein und gut schmecken. In der Tiroler Gastronomie gibt es beides, gelungene Verknüpfung regionaler Spezialitäten mit herausragender Kochkunst aber auch lieblose Massenprodukte verbrämt mit Tiroler Symbolen. Die Verknüpfung halbherziger, austauschbarer Leistungen mit Lokalkolorit leistet sicherlich keinen guten Dienst für den Aufbau einer nachhaltigen Entwicklung in der Regionalität in Tirol.

 

iP: Was ist ihr persönliches Steckenpferd?

 

Günther Botschen: Ich bin sehr engagiert im Netzwerk Tirol. Ziel des Netzwerkes ist es, die Ausbildung im Handel für Bachelor- und Masterstudenten sicherzustellen. Hand in Hand mit unseren Partner sorgen wir für die qualifizierte Ausbildung und Entwicklung von Absolventen für die regionale und internationale Wirtschaft. Bisher sind auf die Initiative von MPREIS acht Partner im Netzwerk vertreten (Silberquelle, Pfanner, Moser Holding, Agrarmarketing Tirol, Tirol Milch, Hörtnagl, Zukunftsstiftung und MPREIS). Wir sind stolz darauf, in jeder Lehrveranstaltung Praxisprojekte, wie z.B. aktuell „Die Etablierung von Tiroler Käse in ausgewählten Tiroler Gastronomiebetrieben“, zu bearbeiten. Im Herbst 2010 soll unsere Plattform iPw.bewusst-regional.at neu aktiviert werden. Auf ihr setzen sich interessierte Tiroler Konsumenten mit verschiedenen Aspekten von Regionalität und regionalen Produkten auseinander. Privat bin ich leidenschaftlicher Einkäufer von frischen und geschmackvollen Lebensmitteln, Schwammerlesucher, Weinverkoster, Hobbykoch, Weinverkoster und engagierter Vater von zwei Kindern.

Zur Person:

Dr. Günther Botschen hält seit 2007 die Drittmittelfinanzierte Position der Netzwerk-Tirol Stiftungsassistenz am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus an der Leopold-Franzens Universität Innsbruck. Er ist Mitbegründer und Partner des Institute of Brand Logic, einem international tätigen Beratungsunternehmen zur markenorientierten Unternehmensführung. Seine Forschungs-, Ausbildungs- und Beratungsaktivitäten fokussieren sich auf die Entwicklung und Implementierung von markenorientierten Führungs- und Managementsystemen.

(ip)