EURO 2008 – Anstoß zur Nachhaltigkeit?

Der Frage, ob die Fußball-Europameisterschaft 2008 nur ein kurzfristiges Vergnügen war oder Tirol langfristig davon profitiert, ging ein Innsbrucker GeographInnen-Team nach.
Axel Borsdorf, Stephanie Zehtner, Laura Schmidt, Silke Greth, Eva Bichlmaier und Erns …
Axel Borsdorf, Stephanie Zehtner, Laura Schmidt, Silke Greth, Eva Bichlmaier und Ernst Steinicke präsentierten am Montag, dem 25.05., eine neue Studie zur Nachhaltigkeit der EURO 2008.

Bereits im Vorfeld der EURO 2008 wurde mit dem Schlagwort Nachhaltigkeit geworben. Das sportliche Großereignis sollte nicht nur ein dreiwöchiger Spaß für die Bevölkerung werden, sondern den Austragungsorten in ökologischer, sozialer- und kultureller sowie ökonomischer Hinsicht langfristig etwas bringen. So sahen es zumindest die Nachhaltigkeitskonzepte vor, die die UEFA und die Gastgeberländer Österreich und Schweiz erarbeitet hatten. Diese konzentrieren sich auf die Bereiche Soziales/Kultur, Ökologie und Ökonomie. Unter anderem wollte man neue Umweltstandards für Großveranstaltungen setzen, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenwirken, die regionale Infrastruktur verbessern, Arbeitsplätze sichern und den Tourismusstandort Tirol bekannter machen. In welchen Bereichen diese Ziele erfüllt wurden, zeigt nun eine Studie des Instituts für Geographie der Uni Innsbruck und des Instituts für Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Geleitet wurde das Projekt von Prof. Axel Borsdorf und Prof. Ernst Steinicke; ein siebenköpfiges Team von Masterstudentinnen der Geographie hat die Studie im Rahmen des Pflichtmoduls Stadt- und Regionalforschung ausgearbeitet.  „Wir haben Interviews mit ExpertInnen und Bürgerbefragungen vor und nach der Europameisterschaft geführt. Darüber hinaus haben wir die Berichterstattung in europäischen Medien analysiert “, erklärt die Geographiestudentin Evi Bichlmaier die Vorgehensweise.

 

Tiroler Gastgeberstolz

Tirols Bürger haben sich laut Studie mit der EURO identifiziert und wünschen sich auch künftig wieder große Sportveranstaltungen. Allerdings bezweifeln sie, dass die Fußball-EM in ökologischer und sozialer Hinsicht nachhaltige Veränderungen für Tirol bringen wird. Einzig und allein der Tourismus habe profitiert, meinen die befragten Tiroler. „Insgesamt sind es eher nicht materielle Werte wie Image oder Gastgeberstolz, die die Tiroler Bevölkerung in den Befragungen als positiv einschätzte“, fasst Studien-Mitautorin Stephanie Zehnter die Ergebnisse der Bürgerbefragungen zusammen. Die Frage, ob man stolz sei, Gastgeberland zu sein, wurde nach der EURO übrigens zu fast 70 Prozent mit „ja“ beantwortet, davor waren es nur knapp 40 Prozent. 60 Prozent glauben nach der EURO, dass Tirol von solchen Sportgroßveranstaltungen profitiert, vor der Meisterschaft waren es nur 40 Prozent. Und das wichtigste Ergebnis ist sicher, dass sich nun die Mehrheit der Innsbrucker weitere Sportgroßveranstaltungen in Innsbruck wünschen, vor der EURO wurde das noch klar abgelehnt. Dies ist eine gute Grundlage für die Stadt Innsbruck und das Land Tirol, das sportliche Image zu stärken und bei weiteren Großveranstaltungen auf die Zustimmung und die Begeisterung der Tiroler zu zählen.

 

Keine ökologische und soziale Nachhaltigkeit

Auch die befragten ExpertInnen sehen keine nachhaltigen ökologischen und sozialen Schäden, die durch die EURO verursacht wurden. Das ist ein erstaunliches und im Grunde sehr positives Ergebnis für Innsbruck: Es offenbar gelungen, eine solche Großveranstaltung ohne Schäden an der Umwelt durchzuführen. Damit kann die EURO 08 am Standort Innsbruck als vorbildhaft gelten. Positiv hervorgehoben wurden auch kurzfristige Initiativen wie z.B. der im Zuge des Rahmenprogramms veranstaltet Kinderlauf, dessen Erlös sozialen Zwecken zu Gute kam oder der Einsatz von Mehrwegbechern und damit die Vermeidung von Müllbergen. – Insgesamt ergeben sich in sozialer und ökologischer Hinsicht keine langfristige Schädigungen, allerdings auch keine langfristigen Vorteile für die Umwelt. Diese wurden freilich auch nicht erwartet. Sozial hat die EURO die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Heimatraum gestärkt.  Positiv wird die Situation aus wirtschaftlicher Sicht beurteilt. „Die Wirtschaftsexperten sind der Ansicht, es sei gelungen, neue Märkte zu öffnen, auch junges Publikum anzusprechen und ein positives Image von Stadt und Region zu erzeugen“, erklärt Zehnter. Borsdorf stimmt dem zu, bemängelt aber, dass es offenbar nicht gelungen ist, die Marke Tirol außerhalb des rein touristischen Bereichs zu festigen. Insofern bestünde bei künftigen Großveranstaltungen noch Verbesserungsbedarf, um Tiroler Produkte, etwa der Optik-, Pharma- und Energieindustrie noch besser zu platzieren.

 

Gastgeberregion medial im Hintergrund

Eindeutig unter den Erwartungen lag die mediale Präsenz der Gastgeber: In der Frequenz- und Valenzanalyse der europäischen Pressemedien zeigte sich, dass über Innsbruck und Tirol im Untersuchungszeitraum zwischen Mai und Oktober 2008 zwar wesentlich mehr berichtet wurde, allerdings fast ausschließlich Berichte über die sportlichen Veranstaltungen gebracht wurden, Informationen über die Gastgeberregion waren außerordentlich spärlich vertreten. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass zumindest die Stadt Innsbruck als Austragungsort an Bekanntheit gewonnen hat. Die Berichterstattung fand allerdings zeitnah statt und war nach nur vier Monaten praktisch zum Erliegen gekommen. Auch hier besteht durchaus Verbesserungsbedarf für die internationale Öffentlichkeitsarbeit, die bislang die Chancen der kurzfristig erhöhten Aufmerksamkeit im Ausland noch nicht langfristig in Wert setzen konnte.

 

Ob eine Sportgroßveranstaltung insgesamt überhaupt nachhaltig sein kein, bezweifeln die Studienautoren, denn Nachhaltigkeit ist per definitionem erst dann gegeben wenn sowohl in ökonomischer als auch in ökologischer und sozialer Hinsicht langfristig positive Wirkungen zu erkennen sind. – Das ist im Fall der Fußball-EM nicht der Fall. Sehr wohl wurden in einigen Bereichen aber nachhaltige Akzente gesetzt. „Dass die EURO in ökologischer Hinsicht keine negativen Auswirkungen hatte, ist schon ein großer Gewinn“, meint Studienleiter Axel Borsdorf abschließend.

(ef)