Der maßlose Nutzen von Kunst und Kultur

Wie sieht die Leistung von Museen für die Gesellschaft aus? Wer maßt sich an, sie zu messen? Und wer hat den Nutzen dieser Leistung? Mit derartigen Fragen beschäftigte sich am 11. Juni ein interdisziplinär angelegtes Symposium mit dem Titel „Die Zukunft der Museen – Perspektiven zwischen künstlerischer Exzellenz und externen Zwischenrufen“ in der Innsbrucker Claudiana.
Maurizio Cattelan, Untitled, 2007: Ausgestopfte Tiere, Ausstellungsansicht Kunsthaus  …
Maurizio Cattelan, Untitled, 2007: Ausgestopfte Tiere, Ausstellungsansicht Kunsthaus Bregenz, Foto: Markus Tretter, © Maurizio Cattelan, Kunsthaus Bregenz

Als Gastredner waren Dr. Friedemann Malsch vom Kunstmuseum Liechtenstein, Dr. Wolfgang Meighörner vom Tiroler Landesmuseum und Peter Noever vom MAK in Wien eingeladen. Für den Forschungsschwerpunkt Organization Studies der Universität Innsbruck sprachen Dr. Thomas Gstraunthaler (Universität Kapstadt) und Prof. Martin Piber vom Institut für Organisation und Lernen.

 

Die Veranstaltung war als inter- und transdisziplinärer Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis angelegt. In einem thinking space hatten Diplomandinnen und Dissertanten die Möglichkeit, ihre Forschungsarbeiten mit den Teilnehmern des Symposiums zu diskutieren. Am Nachmittag wurden mögliche Perspektiven musealer Arbeit und ihrer Darstellung in der Öffentlichkeit in Arbeitsgruppen skizziert.

 

Inhaltlich stand die Darstellung des gesellschaftlichen Nutzens von Kunst bzw. Kultur im Zentrum des Interesses. „Am Beispiel von Kunstmuseen kann sehr leicht die Multidimensionalität des Nutzens für eine Vielzahl von Stakeholdern gezeigt werden“, so Prof. Piber. Museen organisieren nicht nur ihre Sammlungen und machen Ausstellungen, sondern haben auch Aufgaben im Bereich der Erhaltung und Restaurierung des kulturellen Erbes, der Kunstvermittlung, der Forschung und der Allgemeinbildung. Bei Museen für zeitgenössische Kunst kommt zumindest eine kritisch-reflektierende Perspektive dazu. Museen sind geschützte Räume, an denen das kulturelle Selbstverständnis der Gesellschaft reflektiert und kritisiert wird. „Etymologisch gesehen ist es kein Zufall, dass der Begriff des Museums mit den griechischen Musen verwandt ist. Kunst und Kultur und das Museum als deren Agent inspirieren und regen zum Nachdenken an“, erklärt Martin Piber und weiter:

 

„Expertise bei der Bewertung von Kunst- und Kulturprojekten ist rar. Und selbst wenn sie vorhanden ist, fehlt trotzdem oft der Mut, inhaltlich begründete Entscheidungen zu treffen.“ Deshalb werden die Ökonomie und ihre instrumentelle Denkweise als Legitimationsgenerator strapaziert und mancherorts auch überstrapaziert. Neue gesellschaftliche Begehrlichkeiten, vor allem im Sozial-, Gesundheits- und Umweltbereich führen zu einer verschärften ökonomischen Kosten-Nutzen-Argumentation in diesen Bereichen. An dieser Stelle ist auch der gesellschaftliche Nutzen von Kunst- und Kulturprojekten wie z. B. Ausstellungen, Theater oder Filmproduktionen zu bestimmen. Nur: Dieser Wert ist in seiner Summe nicht ökonomisch bestimmbar! „Kunst und Kultur haben einen Eigenwert, der sich nicht aus (Mehr-)Umsätzen, Besucherzufriedenheiten und Bekanntheitsgraden ableiten lässt“, sind sich Piber und Gstraunthaler einig. Freilich kann annäherungsweise ein ökonomischer Wert bestimmt werden. Dieser Wert zeigt aber nur die wirtschaftlichen Auswirkungen kultureller Aktivitäten auf. Problematisch sei, dass Verteilungsentscheidungen verstärkt auf der Basis dieser ökonomischen Größen getroffen werden. Deshalb könne allerorts ein Vordringen ökonomischer Rationalitäten in geisteswissenschaftliche bzw. künstlerische Domänen festgestellt werden. „Freilich kann mit Recht gefordert werden, dass Kunst- und Kulturorganisationen so effizient wie ähnliche privatwirtschaftliche Unternehmen geführt werden. Allerdings kann ein rein ökonomischer Diskurs bei der Nutzenbestimmung wenig Hilfestellung leisten. Und weil sich der Eigenwert von Kultur nicht in Zahlen fassen lässt, brauchen wir an dieser Stelle einen moderierten interdisziplinären Diskurs von Argumenten und wir brauchen letztlich Entscheidungen, die nicht an Steuerungsinstrumente und Zahlenwerke delegierbar sind“, so die Experten.

 

Dies bringt sie  zur Schlussfolgerung, dass der Nutzen bzw. die Leistung von Museen nicht einfach mit Hilfe weniger oder auch vieler (Kenn-)Zahlen dargestellt werden können. „Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den gesetzten Zielen, dem Umfeld und der Situation ist unausweichlich. Hierbei ist ein System aus narrativen und metrischen Elementen sowie Experteneinschätzungen, die die ungleichen Wertsysteme von Kultur und Ökonomie berücksichtigen, zweckmäßig auszutarieren“, erläutert Piber. 

 

An dieser Stelle will die Innsbrucker Forschungsgruppe im Rahmen des Forschungsschwerpunktes Organization Studies ein breites Verständnis der Wirkungsweise verschiedener calculative practicies für, in und auf Kunst, Kultur sowie deren Referenten erreichen sowie die Anwendung von Leistungsmessungs- und Managementsystemen – speziell in Museen – kritisch reflektieren. Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus den Fallstudien in nationalen und internationalen Museen sollen zu einem mehrdimensionalen Nutzenbewertungs- und Kommunikationsansatz weiterentwickelt werden. Weitere Informationen finden Sie unter www.uibk.ac.at/iol/museen.

(sr)