Zidane, Zidane, was hast du getan?

Sein Kopfstoß gegen Marco Materazzi im Finalspiel der Fußballweltmeisterschaft 2006 veränderte nicht nur den Spielverlauf und die Fußballwelt, sondern beeinflusste auch die Sprache der Sportkommentatoren. Deren unmittelbare Reaktionen untersuchte die „Innsbrucker Fußball-Forschungsgruppe“ und stellte sich mit ihren Ergebnissen der Diskussion mit Experten aus Journalismus und Sport.
Diskutierten am Podium: v.l.: Erik Bielderman, Eva Lavric, Thomas König, Marco Civoli …
Diskutierten am Podium: v.l.: Erik Bielderman, Eva Lavric, Thomas König, Marco Civoli, Erika Giorgianni

„Natürlich verurteilten wir in jenem Moment Zidanes Foul, zollten ihm aber auch gleichzeitig Respekt als einem der ganz großen Fußballer unserer Zeit“, meinte Marco Civoli, der für die italienische RAI das Finalspiel live kommentierte. Auch Erik Bielderman, Journalist für das französische Sportmagazin L’Equipe, stellte die Frage in den Raum, wie die Reaktionen der Sportreporter ausgefallen wären, hätte nicht Zidane, sondern z.B. Materazzi, ein solches Foul begangen.

 

Eine universelle Sprache der Gefühle

 „Abseits solcher Überlegungen konnten wir in unserer Forschungsarbeit aber Grundmuster feststellen, die sich quer durch sämtliche Live-Kommentare ziehen. Wir haben die deutsche, die österreichische, die italienische, die französische, die englische, die spanische und die russische Fassung untersucht, und es ist erstaunlich, dass alle die Emotionen mit denselben sprachlichen Mitteln ausdrücken. Unser Titel, ‚Zidane, Zidane, was hast du getan?’ zeigt sie alle: Ausrufungen / Interjektionen, direkte Anrede an Zidane, rhetorische Fragen, Wiederholungen bzw. Parallelkonstruktionen. Am Höhepunkt der Emotion jedoch sind die Kommentatoren sprachlos“, so Prof. Eva Lavric von der Innsbrucker Fußball-Forschungsgruppe. „Möglicherweise haben wir hier den Finger auf eine allgemeinmenschliche Sprache der Gefühle gelegt!“

 

Ein tragischer Moment

„Eigentlich hatten wir erwartet, dass die Reaktion der Kommentatoren in einem direkten Zusammenhang mit deren Nationalität steht, dass sie also parteiisch sind. Tatsächlich aber zeigten unsere Forschungen, dass die Kommentare in ihrem Kern einander stark ähnelten“, erklärt Prof. Lavric. „Alle begannen sie nach dem Höhepunkt der Emotion sehr bald, den Vorfall als einen besonders tragischen Moment zu kommentieren, als einen Gegensatz zwischen der Größe des Spielers und der Schwere seines Fehlers. Dabei zollten sogar die Italiener Zidane als Fußball-Legende am Ende seiner Karriere Tribut.“

 

 „Auf Jahrzehnte in der kollektiven Erinnerung!“

Sollte der Kommentator in einem solchen Fall gelassen bleiben? Nein, antworteten unisono alle Kommentatoren, von Robert Seeger (ORF) über Marco Civoli (RAI) und Erik Bieldermann (L’Équipe) bis zu Thomas König (ORF Tirol) und Wolfgang Wiederstein (die Presse): „Wie soll man sich in so einer Situation auch objektiv verhalten? Sport lebt von Leidenschaft und Emotion, der Kommentator muss mit den Zuschauern mitschwingen, wenn er auch gewisse Grenzen nicht überschreiten darf. Andererseits war gerade der Vorfall mit Zidane etwas, was die Grenzen normalen Sportkommentars sprengt und was auf Jahrzehnte in der kollektiven Erinnerung bleiben wird.“

 

Am Anfang war das Wort

Im Oktober 2006 trafen sich auf Initiative der Innsbrucker Fußball-Forschungsgruppe rund um Prof. Eva Lavric, Prof. Gerhard Pisek, Prof. Andrew Skinner und Prof. Wolfgang Stadler und ihre Studierenden Mag. Irene Giera und Mag. Erika Giorgianni Forscherinnen und Forscher aus allen fünf Kontinenten in Innsbruck, um das Spannungsfeld von Sprache und Fußball unter die Lupe zu nehmen. Daraus entstand der Sammelband „The Linguistics of Football“, der demnächst (noch rechtzeitig zur Euro 2008!) im renommierten Gunter Narr Verlag erscheinen wird.

 

Aber auch die OrganisatorInnen der Ausstellung Herz:Rasen, die im Rahmen der Initiative „Österreich Am Ball“ vom Technischen Museum Wien im Künstlerhaus gezeigt wird, wurden durch den Workshop auf die Innsbrucker Fußball-Forschungsgruppe aufmerksam.

 

Man vereinbarte eine Veranstaltung in Wien am 17. April, die dann am 18. April in Innsbruck in leicht veränderter Besetzung wiederholt wurde. Vor vollem Saal (zur Verfügung gestellt von der Hypo Tirol) und in Anwesenheit des stellv. Hypo-Chefs Dr. Günter Unterleitner und von Wacker-Innsbruck-Obmann Gerhard Stocker diskutierten auf dem Podium Sportkommentatoren aus Italien, Frankreich und Österreich, aber auch Wacker-Innsbruck-Spieler Ferdinand Feldhofer über Emotionen im Sportkommentar.

 

Diese erfolgreiche Veranstaltung zeigte wieder einmal, wie fruchtbar Synergien und Kooperationen sein können. In diesem Fall kooperierten der Frankreich-Schwerpunkt und das Italien-Zentrum der Universität Innsbruck mit Österreich am Ball (Ausstellung Herz:Rasen), der Hypo Tirol Bank, dem FC Wacker Innsbruck und vor allem der Innsbrucker Fußball-Forschungsgruppe (deren Koordinatorin Prof. Eva Lavric auch den Frankreich-Schwerpunkt leitet). Man darf auf weitere Events in ähnlicher Konstellation gespannt sein.

 

Text: Eva Lavric