Forschungsprojekt zur Kosaken-Tragödie von 1945

Im Mai und Juni 1945 drangen 25.000 Kosaken, Kaukasier und Ukrainer in das Gebiet von Oberkärnten und Osttirol ein und wurden nach einmonatiger Verweildauer an die Sowjetunion ausgeliefert. Eine Gruppe von zehn Studierenden sowie zwei Wissenschaftlern der Leopold-Franzens-Universität beschäftigten sich in einem Forschungsprojekt mit diesen Ereignissen, wo nun erste Ergebnisse vorliegen.
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Seit November letzten Jahres sind die Studiosi unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Harald Stadler vom Institut für Ur- und Frühgeschichte sowie Mittelalter- und Neuzeitarchäologie in Zusammenarbeit mit Mag. Karl C. Berger vom Institut für Europäische Ethnologie und Volkskunde dabei, die Ereignisse von damals aufzuarbeiten.

"Wir wollen im Projekt weniger die politische und militärische Geschichte nachrecherchieren, sondern vor allem das Alltagsleben der Kosaken in den Lagern und den Kulturaustausch und Kulturtransfer mit den Einheimischen darlegen," erklärt Berger. Gleichzeitig werden Lagerplätze, Verstecke und die Gräber außerhalb des Kosakenfriedhofs lokalisiert und kartografisch für die Funderwartungsgebiete der Zukunft erfasst. Unzählige Stunden an Interviews mit Zeitzeugen sind aufgenommen worden. "Auch wenn die Geschehnisse bereits 59 Jahre zurückliegen, ist das Thema nach wie vor mit Emotionen besetzt und dadurch ein behutsames Vorgehen bei den Interviews mit den wenigen noch lebenden Zeitzeugen oder deren Angehörigen absolut notwendig," erzählt Berger weiter. "Doch oft steht bei diesen Forschungsarbeiten mühsames und detektivisches Spurenlesen an der Tagesordnung, ein Hinweis führt zum Nächsten, zahlreiche Recherchen führen aber auch ins Nichts. Viele Zeitzeugen sind auch bereits verstorben und manchen Personen ist gar nicht bewusst, dass sie solche 'kosakischen' Gegenstände in ihrem Besitz haben." Und so geriet die Geschichte dieser Objekte - und wie sie in den jeweiligen Besitz gekommen sind - oft in Vergessenheit.

Nichts desto trotz fanden die Gruppe von WissenschaftlerInnen zahlreiche Objekte, die dann gezeichnet und fotografisch dokumentiert werden konnten. Hierzu zählen Gegenstände des alltäglichen Lebens wie etwa Kochgeschirr, Trachtbestandteile und Zeremonialgeräte wie Bronzekreuze, aber auch eine Paradewaffe - ein sogenannter "Kindschal" (Dolch) aus der Gegend von Oberdrauburg - war als Bodenfund zu verzeichnen. Die größte Überraschung bildete ein annähernd komplett erhaltener Panjewagen, ein kosakischer Pferdewagen, und erstmals gelangten auch Schmuck, wie Broschen und Fingerringe, auf den Dokumentationstisch der Forscher.

Initiiert wurde das gesamte Forschungsprojekt von Univ.-Prof. Dr. Harald Stadler, das nun in diesem Semester auch als Lehrveranstaltung an den Instituten Ur- und Frühgeschichte sowie Mittelalter und Neuzeitarchäologie sowie am Institut Europäische Ethnologie und Volkskunde angeboten wird. Mit der Lehrveranstaltung haben sich Prof. Stadler und Mag. Berger mehrere Ziele gesetzt: durch Interdisziplinarität sollen die Studierenden lernen, über den eigenen fachlichen Tellerrand hinaus zu blicken. Der unterschiedliche Zugang zu diesem Thema ist für die Studierenden sehr bereichernd, die nicht zuletzt auch deshalb mit überdurchschnittlichem Engagement mitarbeiten. Dabei sollen die Studierenden durch "forschendes Lernen" nicht nur über dieses schwierige Thema Näheres erfahren, sondern auch archäologische und volkskundliche Methoden in der Praxis erlernen und anwenden können. In bisher zwei einwöchigen Feldforschungaufenthalten vor Ort - jeweils eine Woche im November 2003 und Mai 2004 - wurde versucht, das in den Seminarräumen der Universität vermittelte theoretische Wissen in der Praxis umzusetzen. Als bewährte "Außenstelle" der LFU diente hier, wie schon im letzten Jahr, die "Inform-Akademie" mit ihrem Sitz in der Tammerburg.

Abschließend möchten sich die Wissenschaftler noch bei den bisher befragten Auskunftspersonen für die freundliche Unterstützung sehr herzlich bedanken. Jede auch noch so kleine und unscheinbar wirkende Information ist wichtig und gibt oftmals entscheidende Hinweise für eine weitere Recherche. Und nach wie vor werden Personen gesucht, die mithelfen können, dieses historische Puzzle zu lösen (bb)