Berstender Eisriese

Seit letztem Oktober blockierte der zentrale Ausläufer des Moreno Gletschers den Südarm des Lago Argentino in Südamerika. In der vergangenen Woche zerbrach der natürliche Damm und gab das gestaute Wasser frei. Prof. Helmut Rott und sein Team vom Institut für Meteorologie and Geophysik beobachten den Gletscher bereits seit zehn Jahren.
li: Moreno-Gletscher am 3.4.2002; re: selbe Einstellung am 27.10.2003; Bilder: Prof.  …
li: Moreno-Gletscher am 3.4.2002; re: selbe Einstellung am 27.10.2003; Bilder: Prof. Rott
Nachdem der Moreno Gletscher den Ausfluss des Lago Argentino im südamerikanischen Patagonien verschlossen hatte, stieg der Wasserspiegel bis März um über acht Meter. Der tägliche Zuwachs betrug rund zehn Zentimeter. Der Druck auf den Gletscher wurde dadurch immer größer und am 12. März begann das Wasser durch feine Risse im Eis zu entweichen. Diese bildeten mit der Zeit einen Tunnel und zwei Tage später zerbarst das Eishindernis endgültig.

Gletscher unter Langzeitbeobachtung

Der 30 km lange Perito Moreno Gletscher liegt im berühmten National Park Los Glaciares in Argentinien und wird in einer Langzeitstudie vom Institut für Meteorologie und Geophysik untersucht. Neben zahlenreichen Feldstudien vor Ort bedienen sich die Forscher um Prof. Helmut Rott dabei auch modernster Satellitentechnik. „Wir haben eine automatische Wetterstation in der Nähe des Gletschers installiert. Mit Hilfe von Sonden im Gletscher messen wir die Bewegung des Eisriesen“, so Rott. Mit Messungen von Satelliten vervollständigen wir unsere Beobachtungen. „Da der Perito Moreno einer der wenigen Gletscher in Patagonien ist, der sich vorwärts bewegt, ist er für uns besonders interessant“, erläutert Prof. Rott. Dabei staut er den Südarm des Lago Argentino immer wieder auf, zum letzten Mal 1988. Seit 1917 geschah dies ungefähr zwanzigmal. Davor stand am Ende des Gletschers ein jahrhundertealter Wald, der vom vorstoßenden Gletscher begraben wurde.

Unempfindlicher gegenüber Klimaschwankungen

Die Untersuchungen der Innsbrucker Wissenschaftler zeigen, dass der Gletscher den dramatischen Eisabbruch gut verkraften kann. Die Schneeeinträge am Kopf des Gletschers reichen aus, die Abschmelzung und das Kalben am Fußende auszugleichen. „Unsere Analysen der Massenumsätze via Satelliten und Feldmessungen zeigen eine rekordverdächtigen mittleren Massenzuwachs im Firngebiet von 5.5 m Wasseräquivalent pro Jahr. Diese entsprechen rund 15 m konsolidiertem Schnee“, betont Helmut Rott. Der Gletscher zeichnet sich auch dadurch aus, dass er besonders tief ist. Während der Fuß nur 160 m dick ist, konnten die Innsbruck Forscher weiter oben eine Gletscherdicke von 750 m feststellen. Dadurch ist der Perito Moreno auch gegenüber Klimaschwankungen unempfindlicher, während die meisten Gletscher des Patagonischen Eisfeldes im vergangenen Jahrzehnt einen beschleunigten Rückzug aufwiesen. (cf)