Katalyse - Mögliches möglich machen

Katalytische Prozesse in Natur und Technik beeinflussen unser tägliches Leben in ungeahntem Maße. Im September trafen sich 1.350 Forscherinnen und Forscher aus aller Welt in Innsbruck, um gemeinsam mit der Industrie die Fortschritte in der Katalyseforschung zu diskutieren. An unserer Universität hat die Katalyseforschung eine lange Tradition.
Katalyse - Mögliches möglich machen
Katalyse - Mögliches möglich machen
Obwohl der Begriff "Katalyse" den meisten von uns im Zusammenhang mit der Autoabgasentgiftung geläufig ist, wissen nur wenige, dass katalytische Prozesse in Natur und Technik unser tägliches Leben in ungeahntem Maße beeinflussen. Als Katalysator bezeichnet man einen Stoff, der eine chemische Reaktion einleitet oder beschleunigt, aber selbst unverändert aus dieser hervorgeht. Er macht somit nicht Unmögliches möglich, aber er sorgt dafür, dass Mögliches auch wirklich geschieht, indem er die reagierenden Moleküle in einen reaktionsbereiten Zustand versetzt. Eine besondere Eigenschaft der Katalysatoren ist ihre Fähigkeit, auch in Spuren zu wirken, entweder im gelösten Zustand oder als Festkörper in feinster Verteilung. Bereits im Jahre 1823 wurde entdeckt, dass Spuren des Metalls Platin die Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff, welche ohne Katalysator explosionsartig bei hoher Temperatur erfolgt, bereits bei Zimmertemperatur bewirken. Im Laufe der stürmischen Entwicklung der chemischen Industrie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden immer mehr Prozesse im technischen Maßstab durchgeführt, die ohne den Einsatz von Katalysatoren nicht möglich wären. Heutzutage sind großtechnische Verfahren wie die Erzeugung von Schwefelsäure oder Ammoniak, die Verarbeitung von Erdöl und Kohle zu Treibstoffen und Kunststoffen, die Herstellung von Heilmitteln durch enzymkatalysierte Prozesse ein wesentlicher Bestandteil der Industrie in der westlichen Welt und in den Entwicklungsländern. Ein Großteil unserer Bedarfsartikel wird aus synthetischen Kunststoffen verfertigt, Düngemittel, Waschmittel und auch manche Lebensmittel werden auf katalytischem Wege hergestellt.

Diese eindrucksvolle technische Entwicklung konnte nicht ohne aufwendige Forschungsarbeit geschehen. Bis vor etwa 50 Jahren begnügte man sich noch damit, den für eine Reaktion bestgeeigneten Katalysator durch reines "Ausprobieren" herauszufinden. Heute ist man in der Industrie und in akademischen Forschungsstätten mit Erfolg bemüht, den richtigen Katalysator durch gezielte chemische und strukturelle Veränderungen auf Grund von theoretischen Voraussagen synthetisch zu erzeugen und für die entsprechende Reaktion "maß zu schneidern". Ein Beispiel für moderne Katalysatorentwicklung bietet das seit alters her als chemisch unreaktiv betrachtete Metall Gold. Bringt man Gold in feinster Verteilung und in bestimmter struktureller Anordnung mit bestimmten oxidischen Trägersubstanzen in Kontakt, so erhält man Katalysatoren, welche bereits bei niedrigen Temperaturen ganz bestimmte Reaktionen selektiv lenken und erfolgreich in der Industrie eingesetzt werden, zum Beispiel zur Entfernung von Gift- und Geruchsstoffen aus der Atmosphäre und zur Synthese von Feinchemikalien.

Die Katalyse hat somit in den letzten Jahrzehnten eine rasante Wandlung von einer rein empirischen zu einer zunehmend exakten Wissenschaft durchgemacht, was unter anderem auch in einer exponentiell steigenden Anzahl von Publikationen in Fachzeitschriften zum Ausdruck kommt. An der Universität Innsbruck hat die Katalyseforschung eine lange Tradition. Am Institut für Physikalische Chemie befassen sich derzeit zwei Arbeitsgruppen im Rahmen eines Forschungsschwerpunktes des Österreichischen Forschungsfonds mit der heterogenen Katalyse umweltrelevanter Gasreaktionen und am Institut für Analytische Chemie und Radiochemie sowie am Institut für Allgemeine, Anorganische und Theoretische Chemie wird erfolgreiche Forschung auf dem Gebiete der metallorganischen Synthese, besonders von Polymeren und Naturstoffen, betrieben. Die Aktualität und Originalität dieser wissenschaftlichen Arbeiten hat zu vielen Kontakten mit dem In- und Ausland geführt und der Innsbrucker Chemie internationale Anerkennung verschafft. So ist es besonders erfreulich, dass es nun gelungen ist, den Europäischen Katalysekongress zum ersten Mal nach Österreich und im Besonderen nach Innsbruck zu bringen.

In 4 Parallelsitzungen wurden 150 wissenschaftliche Vorträge gehalten, weiters waren 1.100 Posterbeiträge und 25 Ausstellungsstände von wissenschaftlichen Verlagen und Industriefirmen zu besichtigen. Besonders erfreulich war eine erstmalig starke Beteiligung aus Österreich mit 6 Vorträgen, 40 Posterbeiträgen und mehreren Industrieausstellungsständen. Für die Plenarvorträge konnten die weltbekannten Wissenschaftler Sir John M. Thomas (University of Cambridge/UK) Alfons Baiker (ETH Zürich), Diek Koningsberger (Universität Utrecht), Gerhard Emig (Universität Erlangen-Nürnberg) und Benoit Pugin (Solvias AG, Basel) gewonnen werden. Den 1.350 Teilnehmern wurde ein umfangreiches gesellschaftliches Programm geboten: Exkursionen führten nach Alpbach und Tratzberg, zum Stift Stams und zum Achensee. Mehrere Konzerte, eine Rockparty und ein Abschlussdiner umrahmten die wissenschaftlichen Diskussionen.

EUROPACAT-VI wurde von den Zweiggesellschaften der drei Länder Österreich, Schweiz und Deutschland ausgerichtet, wobei ein großer Teil der lokalen Organisation durch Prof. Konrad Hayek und seine Mitarbeiter vom Institut für Physikalische Chemie der Uni Innsbruck abgewickelt wurde. Die Schweizer Gesellschaft war durch Professor Roel Prins (ETH Zürich) vertreten, und Prof. Robert Schlögl vom Max-Planck-Institut für Physikalische Chemie Berlin leitete das Organisationskomitee mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Chemische Technik (DECHEMA). Die Tagung wurde auch von der Universität Innsbruck, dem Land Tirol und der Stadt Innsbruck gesponsert. (sh/cf)