Die Klimaspezialisten

Der Mensch muss sich im Hochgebirge sorgfältig gegen starke Strahlung und Wetterstürze schützen. Hochalpine Pflanzen hingegen haben sich in Millionen Jahren der Anpassung zu wahren Klimaspezialisten entwickelt. Arbeitsgruppen vom Institut für Botanik der Universität Innsbruck sind dieser natürlichen Wehrhaftigkeit auf der Spur.
Klimaspezialisten
Klimaspezialisten
„Die meisten alpinen Pflanzen können mit intensiver UV-Belastung und extremen Temperaturen im Gebirge sehr gut umgehen. Dies haben sie mit der polaren Flora gemeinsam“, so der Innsbrucker Botaniker Prof. Cornelius Lütz, dessen Team in Europa - neben Forschern aus Grenoble - den einzigen weiteren Forschungs-„Spot“ mit diesem Schwerpunkt bildet. „Das Hochgebirge ist – so wie Arktis und Antarktis – ein extremer Lebensraum. Pflanzen in diesen Bereichen und ihre natürlichen Schutzmechanismen gegen UV-A- und UV-B-Strahlung sowie gegen extreme klimatische Bedingungen können wir damit unter Feldbedingungen wie in einem natürlichen Labor untersuchen“, betont Lütz.

Beispiele angepasster Pflanzen, die sowohl in den Alpen als auch in polaren Regionen vorkommen, sind: Die Silberwurz (Dryas octopetala), der gegenblättrige Steinbrech (Saxifraga oppositifolia), der Alpensäuerling (Oxyria digyna), verschiedene Weidenarten und Gräser sowie Schneealgen. Einige dieser wehrhaften Vertreter der Flora untersuchen die Wissenschaftler des Institutes für Botanik der Innsbrucker Universität. Wie sich diese Pflanzen an alpine (Tirol) und an polare Standorte (NW-Spitzbergen) anpassen, wie sie sich mit Hilfe spezieller Farbstoffe - so genannter „Flavonoide“ - gegen die starke UV-Belastung schützen, wie ihr Stoffewechsel (Photosynthese) unter harten Bedingungen funktioniert – dies sind nur einige Fragen, die im Zentrum der Forschungen stehen.

Vor Ort – zum Beispiel im Pflanzengarten am Patscherkofel – wird von den Experten die Leistungsfähigkeit der Photosynthese und der speziellen Schutzsysteme gemessen. Parallel dazu erfolgen aufwändige elektronenmikroskopische Untersuchungen am Blattgewebe. Seit Beginn dieses Jahres werden auch die beiden einzigen Blütenpflanzen der Antarktis in die Forschungen eingeschlossen.

Aufgabe der Forschungen ist nach den Angaben von Lütz, den Stoffwechsel dieser Pflanzen und ihre Reaktion auf extreme Situationen besser verstehen zu lernen. „Natürlich ist dabei übergeordnetes Ziel, diese sehr empfindlichen Ökosysteme und ihre Pflanzenwelt besser schützen zu können“, so der Wissenschaftler, „denn hochalpine und polare Ökosysteme sind vom Menschen noch wenig beeinflusst und stellen auch einen wichtigen Genpool von Wildpflanzen dar“.

Hochgebirgspflanzen müssen äußerst robust und schnell sein. Da in alpinen Höhenlagen der Schnee sehr lange liegen bleibt, haben die dortigen Pflanzen nur wenige Monate Zeit um auszutreiben, zu blühen und sich Reserven für den Winter aufzubauen. Gegen die Strahlenbelastung, welche im Hochgebirge mit jedem Höhenmeter ansteigt, sind alpine Pflanzen mit einem eigenen Sonnenschutz ausgerüstet. „Diese Pflanzen haben verdickte Zellwände, die Blattoberseite ist mit reflektierenden Schichten ausgestattet und sie bauen Inhaltsstoffe auf, die ähnlich wie Sunblocker wirken und die UV-Strahlen weitgehend zurückhalten können“, erklärt der Experte. Diese Wehrhaftigkeit und ein auch bei Minusgraden funktionierender Stoffwechsel (Photosynthese) haben alpine und polare Pflanzen – vereinfachend erklärt – gemeinsam.

Dieser Beitrag erschien in der aktuellen Ausgabe der UNIZEITUNG, dem Journal der Universität Innsbruck. Die UNIZEITUNG wird viermal im Jahr der Tiroler Tageszeitung beigelegt. Über public-relations@uibk.ac.at können Sie eine gedruckte Ausgabe der aktuellen UNIZEITUNG bestellen.