Dem Strömungsverhalten auf der Spur

Die Kenntnis des Strömungsverhaltens von Flüssen, Muren und Lawinen ist für die Vorhersage von solchen Ereignissen von entscheidender Bedeutung. Die iPoint-Redaktion sprach mit Prof. Dr. Peter Rutschmann vom Institut für Wasserbau über die Simulation solcher Phänomene am Computer.
Ausschnitt aus einer Animation
Ausschnitt aus einer Animation
Die Hochwasser vom vergangenen August haben gezeigt, dass für die Vorhersage von Katastrophen und die Alarmierungen gute Werkzeuge zur Strömungsberechnung unabdingbar sind. "An unserem Institut werden Strömungen nicht nur im wasserbaulichen Modell sondern auch am Computer nachgebildet. Die numerischen Berechnungen basieren auf den Erhaltungssätzen der Physik, d.h. auf der Massen-, Impuls- und Energieerhaltung. Die resultierenden Navier-Stokes-Gleichungen stellen ein System partieller Differentialgleichungen dar, welches nichtlinear ist und nur numerisch gelöst werden kann," erklärt Prof. Peter Rutschmann vom Innsbrucker Institut für Wasserbau. Eine zusätzliche Schwierigkeit von Strömungsberechnungen in der Umwelt stellt die Tatsache dar, dass die Lage des freien Wasserspiegels nicht gegeben sondern Teil der Lösung und der eigentliche Rechenraum deshalb a priori nicht bekannt ist.

Prof. Rutschmann und seine Mitarbeiter beschäftigen sich nicht nur mit dem Abflussverhalten von Reinwasser. Für viele Fragen, insbesondere auch für Hochwasserabflüsse, spielen Geschiebebewegungen eine entscheidende Rolle. Bei einem hohen Anteil von mitgeführtem Material spricht man dann von einer Mure, welche wiederum mathematisch gesehen eine sehr große Ähnlichkeit zu Fliesslawinen hat.

"An unserem Institut werden sowohl eigene als auch kommerzielle Strömungsprogramme verwendet. Die von mir programmierte FEMTOOL-Software eignet sich zur Lösung beliebiger, partieller Differentialgleichungen," erläutert Peter Rutschmann. Verschiedene Anwender haben die Software im Bereich von Muren, Gletschern aber auch pyroklastischen Strömungen eingesetzt. Besonders gut eignet sich das Programm auch für Prozesse der Umwelt, da beliebig viele Teilprozesse miteinander gekoppelt werden können. Ein Beispiel für eine solche Kette von Teilprozessen wäre die Modellierung von Niederschlag, Infiltration und Abfluss gekoppelt mit dem Transport eines Schadstoffes.

3D-Berechnungen turbulenter Strömungen sind im Falle großer Rechengebiete sehr zeitintensiv. Deshalb wurde sowohl die kommerzielle als auch die eigene FEMTOOL-Software mittlerweile auf Parallelrechner portiert, und die Anschaffung und der Betrieb des Beowulf-Clusters beim Zentralen Informatikdienst (ZID) von Prof. Rutschmann mitinitiiert und mitfinanziert.

Das Institut ist somit in der Lage, Oberflächen- und Grundwasserabflüsse mit Stofftransport gekoppelt zu lösen. "FEMTOOL kann das Strömungsverhalten von Wasser und anderen Materialien berechnen und so 3D-Simulationen am Computer erstellen," so Rutschmann. Dass das Programm aber auch für weniger ernste Aufgaben eingesetzt werden kann, zeigte die elektronische Weihnachtskarte des Instituts, auf der ein weihnachtlich eingefärbter Stern aus Wasser zu sehen war.

"Die Diskrepanz zwischen dem Stand der Wissenschaft und den bei der Planung und im Ernstfall eingesetzten Werkzeugen ist groß. Trotz massiver Hochwasserschäden im vergangenen Jahr gehe ich davon aus, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis komplexe Abfluss- und Alarmmodelle eine ihnen zustehende Akzeptanz erreichen werden," so Prof. Rutschmann abschließend.