Wie kommt der Wahnsinn vom Rind in das menschliche Hirn?

Innsbrucker Wissenschaftler rund um Prof. Georg Wick haben gemeinsam mit Kollegen aus Wien und Edinburg möglicherweise jenen Weg entdeckt auf dem Prionen ins Gehirn gelangen. Daraus ergeben sich völlig neue Gesichtspunkte für die Diagnose, Prävention und vielleicht auch Therapie der gefürchteten Creutzfeldt Jakob Krankheit.
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Foto: Gunda Millonig; Netzwerk von dendritischen Zellen in der innersten Schicht der Arterie (Intima) im Bereich einer Verzweigung. Die dendritischen Zellen sind mit einem grün fluoreszierenden Farbstoff markiert und dort angereichert, wo der Blutstr
Die "Bovine Spongiforme Encephalopathie" (BSE) gehört zu den sogenannten Prion-Erkrankungen. Das sind infektiöse, teils erbliche, teils sporadisch auftretende neurodegenerative Veränderungen. Prione (Abkürzung für: proteinaceous infectious particles - infektiöse Partikel mit Proteinnatur) sind insofern ungewöhnliche "Infektionserreger", als sie, im Gegensatz zu Parasiten, Bakterien und Viren, keine bekannte genetische Information tragen, sondern ihre infektiöse Wirkung über einen sonst unbekannten Mechanismus entfalten.
Bei den erblichen, spontan auftretenden Erkrankungen dieser Art kommt es im Zentralnervensystem zu Ansammlungen einer strukturell veränderten Form eines normalen Zellproteins. Dieses als PrPsc bezeichnete, abnormal strukturierte Prionprotein hat die Eigenschaft, beim Zusammentreffen mit normalem Prionenprotein (PrP), das letztere ebenfalls in eine abnormale PrPsc Struktur zu zwingen. Auf diese Weise kann ein abnormales PrPsc Protein lawinenartig zu einer "infektiösen" Umwandlung von normalem PrP in PrPsc führen.

Prionenerkrankungen sind selten, und das bekannteste Beispiel beim Menschen war bisher die erbliche Form der Creutzfeldt Jakob Erkrankung (CJD). Während der BSE-Krise trat nun eine neue Variante der Creutzfeldt Jakob Erkrankung (vCJD) auf, von der man annimmt, dass sie durch Übertragung von PrPsc aus dem Nervensystem von an BSE erkrankten Rindern auf den Menschen entstand.
Die Inzidenz der vCJD ist weitaus höher, als jene der klassischen, erblichen CJD Form. Bisher war es nicht klar, wie die gefährlichen PrPsc Partikel nach Genuss von BSE-verseuchtem Fleisch in das zentrale Nervensystem des Menschen gelangen. Der Arbeitsgruppe von Georg Wick am Institut für Pathophysiologie der Medizinischen Fakultät der Uni Innsbruck ist es zusammen mit der Gruppe von Herbert Budka, Institut für Neurologie Wien, und James W. Ironside, Department of Pathology Edinburgh, gelungen, eine weitere Facette dieses ungelösten Problems aufzuklären.

In den letzten Jahren wurde es nämlich zunehmend klar, dass Zellen des Immunsystems bei der Übertragung der PrPsc aus dem Darm in das zentrale Nervensystem eine wesentliche Rolle spielen. Die Innsbrucker Arbeitsgruppe hatte im Rahmen von anderen Untersuchungen über die Entstehung der Atherosklerose schon früher entdeckt, dass in der innersten Schicht von gesunden menschlichen und tierischen Arterien ein bisher unbekanntes Netzwerk von sehr wichtigen immunstimulierenden Zellen, den sogenannten vaskulär assoziierten dendritischen Zellen (VADC) vorhanden ist, von dessen Existenz an diesem ungewöhnlichen Ort man bisher nichts wusste. Da dendritische Zellen die Fähigkeit haben, im Körper aktiv umherzuwandern und aufgenommenes Fremdmaterial den Zellen des Immunsystems zu präsentieren, wurde bei den Versuchen der Arbeitsgruppen gemeinsam der Frage nachgegangen, ob derartige VADC die gefährlichen PrPsc beherbergen können. Dabei konnte gezeigt werden, dass dendritische Zellen in der Wand von Gehirnarterien von Patienten mit vCJD grosse Mengen von PrPsc enthalten. Die Autoren schließen aus diesen Befunden, dass dendritische Zellen, die in vielen anderen Körperregionen - so auch im Magen-Darmtrakt - in hoher Dichte vorkommen, die "trojanischen Pferde" darstellen könnten, welche PrPsc vom Darm in das zentrale Nervensystem transportieren. Wenn es gelingt, dieses Konzept durch funktionelle Untersuchungen bei Versuchstieren zu untermauern, ergeben sich völlig neue Gesichtspunkte für die Diagnose, Prävention und vielleicht auch Therapie dieser gefürchteten Erkrankung.