Rätselhaftes Intermezzo

In der Natur ist sie ein unscheinbares Pflänzchen, für die Forschung aber spielt sie eine große Rolle. Die Acker-Schmalwand dient nicht nur der Molekularbiologie alsbevorzugte Modellpflanze, an ihr wird auch der Abbau des Blattgrüns studiert. Innsbrucker Chemiker um Bernhard Kräutler entdeckten dabei einen überraschenden Mechanismus.
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Von Chloroplasten gelangen unterschiedliche Abbauprodukte des Chlorophylls über das Zellplasma in die Vakuole.

Das Blattgrün (Chlorophyll) ist der am häufigsten vorkommende Farbstoff auf der Erde. Er nimmt in der Pflanze Sonnenlicht auf und verwendet die dabei gewonnene Energie bei der Photosynthese. Funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr richtig, kann das für den Organismus gefährlich werden. Deshalb bauen Pflanzen weltweit jedes Jahr geschätzte Tausend Millionen Tonnen von Chlorophyll ab. Wie dieser Abbau vonstatten geht und welche Produkte dabei entstehen, ist ein ‚altes‘ Rätsel, an dessen Lösung der Innsbrucker Chemiker Bernhard Kräutler und sein Team am Institut für Organische Chemie und dem Centrum für Molekulare Biowissenschaften der Uni Innsbruck arbeiten. „Am Ende wollen wir herausfinden, welche Wirkung die Abbauprodukte des Chlorophylls in den Pflanzen haben und was ihre Rolle im Stoffwechsel ist“, erzählt Prof. Kräutler. In einer aktuellen Arbeit untersuchte er die Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), die als Modellpflanze molekularbiologisch sehr intensiv erforscht wird. Gemeinsam mit dem Züricher Botaniker Stefan Hörtensteiner hat sich Kräutlers Team den Abbauprozess in dieser Pflanze näher angesehen. In allen höheren Pflanzen wird das Blattgrün in den für die Photosynthese zuständigen Zellorganellen (Chloroplasten) zunächst in ein rotes Zwischenprodukte zerlegt und dieses sehr rasch zu farblosen, blau fluoreszierenden Kataboliten weiterverarbeitet. Wie die Innsbrucker Forscher schon früher herausgefunden haben, entstehen in der Acker-Schmalwand später nicht nur die von Bernhard Kräutler vor langem erstmals charakterisierten photoinaktiven Phyllobiline, sondern auch besonders viele verwandte Dioxobilane, die durch Weiterabbau aus den zunächst gebildeten Phyllobilinen hervorgehen. Wie die Forscher nun herausgefunden haben, findet dieser Weiterabbau auf mehreren, nebeneinander auftretenden Wegen statt.

Reparaturmechanismus entdeckt

Um den Abbauprozess in der Pflanze verstehen zu können, leiten die Wissenschaftler aus den im Labor ermittelten chemischen Strukturen ab, wie die einzelnen Produkte in der Zelle entstehen. Dabei haben sie festgestellt, dass die blau fluoreszierenden, farblosen Kataboliten in den Pflanzen größtenteils noch einmal mit einem Sauerstoffatom hydroxyliert werden, bevor sie aus den Chloroplasten ins Zellplasma austreten. Doch scheint diese Hydroxylierung beim Chlorophyll-Abbau der Acker-Schmalwand nicht immer einzutreten. „In der aktuellen Arbeit zeigen wir, dass die Zelle einen großen Aufwand betreibt, um jene Kataboliten unschädlich zu machen, die ohne Hydroxylierung ins Zellplasma gelangen“, erzählt Prof. Kräutler. „Diese werden im Zellplasma durch eine Hydroxy-Methylierung ‚repariert‘ und erst dann, wie alle anderen farblosen Kataboliten in die Vakuole transportiert.“ Die Wissenschaftler vermuten, dass der nun entdeckte Hydroxy-Methylierungsschritt notwendig ist, um die Moleküle für den Transport in die Vakuole (und die ‚Entsorgung‘) geeigneter zu machen. Vakuolen sind Stoffspeicher, die auch als die ‚Abfallbehälter der Pflanzenzelle‘ bezeichnet werden. Wie die vom Innsbrucker Team neu entdeckte Hydroxy-Methylierung in der Zelle von statten geht, ist allerdings noch rätselhaft. Und auch bei der Frage nach den vermuteten Funktionen dieser Abbauprodukte für die Natur tappen die Forscher vorerst noch im Dunkeln.