Ein Quantum Rotation

Forschern um Physiker Roland Wester gelang es erstmals, einen elementaren Stoßprozess zwischen Atomen und geladenen Molekülen bei tiefen Temperaturen präzisezu vermessen und zu beschreiben. Das Experiment, bei dem nur ein einziges Quant an Energie in die Drehbewegung des Moleküls übertragen wird, stimmt sehr genau mit theoretischen Berechnungen überein.
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Grafik: Daniel Hauser

Während sich die Atome und Moleküle in einem heißen Gas schnell und chaotisch bewegen, schränkt Kälte die ungeordneten Bewegungen mehr und mehr ein. Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt ermöglichen sorgfältige Präzisionsmessungen an kalten Molekülen, welche bei diesen Bedingungen den Gesetzen der Quantenmechanik unterliegen. Wechselwirkungen zwischen Atomen, Molekülen und Licht treten dann nicht mehr bei beliebigen Energien der Teilchen auf, sondern nur wenn die Anregung von Drehungen und Schwingungen der Moleküle bei genau bestimmten Werten erfolgt.
Forschern des Instituts für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck um Professor Roland Wester ist es nun erstmals gelungen, einen elementaren Wechselwirkungsprozess im Labor zu verwirklichen, bei dem durch den Stoß eines Atoms auf ein Hydroxidion präzise jenes Quant an Energie zugeführt wird, bei dem ein geladenes Molekül aus der Ruhe in den ersten Drehungszustand versetzt wird. Der Prozess, eine solche reine Änderung der Rotation in Gang zu setzen und auch wieder zu stoppen, konnte dabei nicht nur genau vermessen werden. Er wird durch die präzise Übereinstimmung mit theoretischen quantenmechanischen Berechnungen nun auch gut verstanden.

„Ein Quantum Rotation, und sonst nichts“

Die Innsbrucker Physiker beschreiben ihr Experiment in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Physics. Daniel Hauser, der federführende Autor der Studie, berichtet über mögliche Anwendungen dieser Forschung: „Die Ergebnisse tragen zum besseren Verständnis grundlegender Abläufe in verschiedenen Forschungsbereichen bei. In der Astrophysik beispielsweise muss man verstehen, wie das Kühlverhalten von Gaswolken funktioniert, um zu erklären, wie Sterne und Planeten entstehen. Dabei spielen Stöße, bei denen die Drehung geändert wird, eine zentrale Rolle. Eine weitere interessante Anwendung ergibt sich im Bereich der kalten Chemie. Dort können elementare Rotationsanregungen möglicherweise spezielle chemische Prozesse auslösen.“
Das Experiment an der Universität Innsbruck besteht aus einer Ionenfalle, in der die kalten geladenen Moleküle mit Hilfe von Lasern untersucht werden. Negativ geladene Hydroxidionen, die aus einem Atom Sauerstoff und einem Atom Wasserstoff oder Deuterium zusammengesetzt sind, werden in der Falle eingefangen, auf etwa minus 260 Grad Celsius gekühlt und können mehrere Minuten lang untersucht werden. Heliumatome regen dann durch Stöße die Moleküle zu elementaren quantisierten Drehungen an, oder stoppen die Rotation bereits angeregter Moleküle wieder. Mit Hilfe des Lasers werden die Wahrscheinlichkeiten für diese eine An- oder Abregung analysiert. „Das Elegante bei diesem Prozess ist, dass es sonst keine Möglichkeit gibt, Energie in das System hineinzubringen,“ erklärt Roland Wester. „Es gibt genau dieses Quantum Rotation, und sonst nichts.“

Die Untersuchung grundlegender chemischer Prozesse an kalten Molekülen und die Entwicklung neuer Untersuchungsmethoden sind zentrale Forschungsthemen der Arbeitsgruppe um Roland Wester am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik. So werden aktuell neue Möglichkeiten der Anwendung von Terahertzstrahlen zur Manipulation kalter Moleküle erforscht. Die Arbeiten werden unter anderem durch das European Research Council (ERC) und den österreichischen Wissenschaftsfond FWF gefördert.