Undurchschaubare Wolken

Wie entstehen Wolken? Dass diese Frage der Wissenschaft bis heute große Rätsel aufgibt, mag für viele überraschend sein. Physiker rund um Prof. Armin Hanseluntersuchen in einem internationalen Großprojekt am CERN in der Schweiz die wenig verstandene „Geburtsstunde“ von Wolken. Ein besseres Verständnis dieser Erscheinungen ist für die Klimaforschung essentiell.
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In der Kinderstube der Wolken: Innsbrucker Physiker sind dem Geheimnis der Wolken auf der Spur. Bild: Stefan Schwarz / pixelio.de

Von Schäfchenwolken bis Gewitterwolken: Die weißen Himmelsgebilde sind für uns eine selbstverständliche Erscheinung. Welche Faktoren in der Atmosphäre für ihre Entstehung zusammenspielen müssen, ist aber weitgehend unverstanden. „Die Bildung von Wolken ist wesentlich komplexer, als häufig angenommen wird. Wolken sind viel mehr als nur kondensierter Wasserdampf und stellen die Forschung durch ihre Komplexität vor große Herausforderungen“, verdeutlicht Armin Hansel. Um sich des Rätsels Lösung anzunähern, untersuchen die Forscher in einem internationalen Projekt die kleinsten Bausteine einer Wolke, die so genannten Kondensationskeime. „Wolken bestehen aus Wolkentröpfchen und jedes Tröpfchen enthält einen Keim. Diese können nur dann entstehen, wenn Wasserdampf an winzig kleinen Teilchen, die wir Partikel nennen, kondensiert“, erklärt Hansel. Mögliche Ausgangspunkte für die Entstehung einer Wolke können somit natürlichen Ursprungs sein und z.B. in Form von Sandstaub oder Meersalz auftreten. Ein sehr großer Teil bildet sich allerdings anders: „Schätzungen zufolge entstehen etwa die Hälfte aller Wolken aus Partikeln, die in der Atmosphäre erst neu gebildet werden. Dabei spielen besonders jene Stoffe eine Rolle, die beispielsweise durch die Aktivität des Menschen in Form von Gasen in die Atmosphäre gelangen.“ Wie aus diesen Gasen Partikel entstehen können, die Voraussetzung für die Wolkenbildung sind, ist die zentrale Forschungsfrage des Expertenteams.

Komplexe Vorgänge

Für den Blick in die Kinderstube der Wolken werden die Vorgänge in der Atmosphäre im Großexperiment CLOUD am CERN in der Schweiz simuliert. In einer Wolkenkammer können die Forscher äußerst präzise Wolkenbildungs-Experimente durchführen, verschiedenste Chemikalien kontrolliert einbringen und die Vorgänge mit hochsensiblen Geräten messen. Das Experiment CLOUD, die Abkürzung steht für Cosmics Leaving OUtdoor Droplets, ist in einer Halle des CERN untergebracht. Die Untersuchungen erfolgen seit 2009 in einer Kammer in Form eines elektropolierten, hochreinen Edelstahlzylinders mit drei Metern Durchmesser und einem Fassungsvermögen von etwa 26 Kubikmeter. Die Forscher der Uni Innsbruck arbeiten mit Kollegen aus 14 verschiedenen Institutionen aus 9 verschiedenen Ländern zusammen.
Schwefelsäure, Amine oder Ammoniak sind Beispiele für Stoffe, deren Einfluss auf die Partikelbildung untersucht wurde. Besonders der Schwefelsäure kommt hier eine wichtige Bedeutung zu: Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass Schwefelsäure-Moleküle eine wichtige Zutat für die Bildung von Partikeln sind. „Wir haben einen Bestandteil identifiziert, der vor allem seit dem Beginn der Industrialisierung verstärkt in die Atmosphäre gelangt. Wir konnten aber gleichzeitig feststellen, dass Schwefelsäure alleine nicht ausreicht. Daher bleibt die Frage: Was braucht es noch?“. Als weiterer „Kandidat“ konnte ein Stoff ausgemacht werden, der von Nadelwäldern emittiert wird. Dieser Stoff ist allgemein bekannt, da er für den typischen Geruch der Wälder verantwortlich ist. „Reaktionsprodukte, die in der Atmosphäre aus dieser Substanz gebildet werden, wirken wie eine Art Klebstoff und tragen zur Neubildung von Partikeln bei, durchaus auch gemeinsam mit Schwefelsäure“, erklärt Hansel.
Die Wahl des Standortes von CLOUD fiel nicht zufällig auf das CERN in der Schweiz. Das Kernforschungszentrum ermöglicht die Erforschung eines weiteren Faktors, der die Bildung von Wolken beeinflusst: die Ionen. Ionen bilden sich in der Atmosphäre durch den Einfluss der kosmischen Strahlung. Die Intensität dieser Strahlung wird von den Magnetfeldaktivitäten der Sonne gesteuert und kann schwanken. Der Teilchenbeschleuniger am CERN stellt eine ein- und ausschaltbare Strahlung zur Verfügung, die in der Kammer zur Entstehung der Ionen führt und damit die kosmische Strahlung simuliert. „Damit gehen wir der Frage nach, welchen Einfluss das Magnetfeld der Sonne auf unser Klima hat“, betont Hansel.

Tiroler Know-How

Um die Rolle der kosmischen Strahlung und der zahlreichen weiteren Faktoren messen zu können, entwickelte das 15-köpfige Team von Armin Hansel in enger Zusammenarbeit mit dem Spin-Off-Unternehmen „Ionicon Analytik“ ausgefeilte Messverfahren, die zwei wesentliche Aufgaben erfüllen. Zum einen können die Forscher mit ihren hier in Innsbruck entwickelten Geräten die Reinheit der Wolkenkammer kontrollieren: „Das ist ein sehr wichtiger Aspekt, da wir in unseren Experimenten mit unglaublichen geringen Mengen arbeiten und sicherstellen müssen, dass die Ergebnisse nicht durch Verunreinigungen verfälscht werden“, sagt Hansel. Außerdem können die Geräte bereits geringste Mengen der Stoffe in Echtzeit in der Kammerluft messen. Das Team rund um Armin Hansel arbeitet stets an einer weiteren Verfeinerung dieser Messtechniken, „damit wir auch die winzigsten Veränderungen, die aber große Auswirkungen haben könnten, erfassen können“.

Klimafaktor Wolke

Das Klima und das Aufkommen von Wolken stehen in einem engen Zusammenhang, daher ist eine Klärung der Wolkenentstehung für die Klimaforschung sehr wichtig. Wolken sind im Hinblick auf die Erderwärmung ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor in heutigen Klimamodellierungen. Ein sehr großer Teil unseres Planeten ist stets mit Wolken bedeckt. Diese Wolkenbedeckung reflektiert Sonnenlicht zurück in den Weltraum und wirkt somit kühlend. Wolken behindern gleichzeitig aber auch die Abstrahlung der Wärme auf der Erde zurück in den Weltraum, d.h. sie können auch zur Erwärmung beitragen. Was überwiegt und ob Wolken nun letztlich wärmend oder kühlend wirken, ist noch nicht geklärt. Auch der Einfluss des Menschen auf die Wolkenbildung z.B. durch Luftverschmutzung ist weiterhin Gegenstand der Forschungsarbeit. „Die Beantwortung dieser Fragen wird für eine zuverlässige Prognose der künftigen Entwicklung unseres Klimas von großer Bedeutung sein“, ist der Physiker überzeugt. „Unsere Arbeit am CERN ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung“.

 

Dieser Artikel ist in der Dezember-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).