Mit Tinnitus leben

Bis zu drei Prozent der erwachsenen Bevölkerung fühlen sich von ihrem chronischen Tinnitus beeinträchtigt. Die Ursachen für Tinnitus sind vielfältigund nicht immer klar zu bestimmen. Psychologische Behandlungen zielen auf die Reduktion der Beeinträchtigung durch Tinnitus ab. Und das mit großem Erfolg, wie der Psychologe David Riedl nachweist.
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Rund zehn bis fünfzehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung geben an, einen chronischem Tinnitus zu haben.

Rund zehn bis fünfzehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung geben an, einen chronischen Tinnitus zu haben – ein Ohrgeräusch, das auf keine für andere wahrnehmbare externe Quelle zurückzuführen ist. Während sich die große Mehrheit durch die Ohrgeräusche langfristig nicht belastet fühlt, erleben zwischen 0,5 bis drei Prozent der Erwachsenen einen starken bis extremen Leidensdruck mit Beeinträchtigungen des Ein- und Durchschlafens, der Stimmung, der Konzentrationsfähigkeit, der täglichen Lebensführung sowie der Lebensqualität. Der Psychologe David Riedl beschäftigt sich in seiner Dissertation mit der Diagnostik und Behandlung jener Menschen, die unter Tinnitus leiden.

Hilfe für Betroffene

Eine gewisse „Tinnitusbereitschaft“ ist an sich gar nicht ungewöhnlich: Wenn Menschen ohne Tinnitus einzeln in einen komplett schallisolierten Raum gebeten werden, geben die meisten danach an, nach einiger Zeit ein Geräusch wahrgenommen zu haben, obwohl es objektiv keines gab. „Wir sind praktisch immer von Geräuschen umgeben, die meisten Geräusche wandern jedoch aus dem Zentrum unserer Wahrnehmung und werden von uns überhaupt nicht realisiert. Denken Sie etwa an das Ticken Ihrer Armbanduhr oder das Summen eines Kühlschranks in der Küche: Beides nehmen Sie nicht wahr, wenn Sie nicht bewusst hinhören.“ David Riedl arbeitet in seiner Forschung eng mit der Tinnitus-Ambulanz der Innsbrucker Universitäts-Klinik für Medizinische Psychologie zusammen, an der seit Jahren eine Tinnitus-Bewältigungsgruppe angeboten wird. Mittels Übungen zur Aufmerksamkeitslenkung, gezielter Informationsvermittlung und Entspannungstechniken lernen die Patientinnen und Patienten einen besseren Umgang mit ihrem Ohrgeräusch. „In der Gruppentherapie werden die Ängste und Sorgen, die mit dem Tinnitus einhergehen, sorgfältig mit den Patientinnen und Patienten besprochen. Die Betroffenen lernen auch, auf den eigenen Körper zu hören und Situationen zu bewerten – zu wissen, in welchen Situationen das Geräusch lauter oder leiser wird, hilft dabei, mit dem Tinnitus besser zurechtzukommen.“

Die Patientinnen und Patienten der Tinnitus-Bewältigungs-Gruppe an der Innsbrucker Klinik füllen im Rahmen der klinischen Routine Fragebögen zu ihrem psychischen Befinden aus, die zur Zeit von David Riedl ausgewertet werden: „Ein ganz klares Ergebnis ist, kurz gesagt: Die Therapie hilft Menschen mit mit chronischem Tinnitus, mit dem Symptom besser zurechtzukommen. Die Betroffenen fühlen sich signifikant weniger von ihrem Ohrgeräusch beeinträchtigt und berichten zum Beispiel von verbessertem Schlaf und einer höheren Lebensqualität.“

Die Frage der Akzeptanz

Für chronische Ohrgeräusche gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen und die medikamentöse Behandlung ist meist nur eingeschränkt möglich. Psychologische Therapieangebote zielen darauf ab, einen angstfreieren und akzeptierenderen Umgang mit dem Ohrgeräusch und eine Verringerung der Tinnitusbelastung zu erreichen: „Die Lebensqualität der Betroffenen erhöht sich sehr, wenn das Symptom in den Hintergrund der Aufmerksamkeit rückt“, hält David Riedl fest. Neuere Forschungen belegen, dass Menschen, die eine akzeptierende Haltung gegenüber dem chronischen Tinnitus einnehmen können, weniger belastet sind und von einer höheren Lebensqualität berichten. Die Frage, was es Menschen ermöglicht, ihr chronisches Ohrgeräusch besser zu akzeptieren, ist nicht eindeutig geklärt. Als Teil eines interdisziplinären Teams der Universität Innsbruck und der Universitäts-Klinik für Medizinische Psychologie nähert sich David Riedl dieser Fragestellung an. Die Ergebnisse der Forschungsgruppe wurden bereits in mehreren Artikeln beschrieben und auf nationalen und internationalen Kongressen vorgestellt. Für sein Dissertationsprojekt erhält David Riedl ein Doktoratsstipendium der Universität Innsbruck.