Grasland unter Trockenstress

Seit Frühjahr 2013 beschäftigt sich Johannes Ingrisch, Doktorand am Institut für Ökologie, mit den Effekten von Wassermangel auf das heimische Grasland.Erstmals untersuchen Forschende die Strategien von Pflanzen während einer Dürre und in der Erholungsphase. Auch Auswirkungen des CO2-Austauschs der Ökosysteme auf das Klima spielen dabei eine zentrale Rolle.
Johannes Ingrisch Alm Trockenstress
Messungen des CO2-Austauschs zwischen Boden, Pflanze und Atmosphäre auf der Kaserstattalm. (Foto: Johannes Ingrisch)

In einem europaweiten Projekt haben sich Johannes Ingrisch und seine Kolleginnen und Kollegen die Aufgabe gestellt, das Verhalten von Pflanzen bei Dürre zu analysieren. „In dem Projekt geht es darum, wie sich Graslandökosysteme, hauptsächlich sprechen wir hier von Wiesen, in klimatischen Extremsituationen verhalten“, erklärt Ingrisch. Für ihre Forschungen untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedliche Aspekte der Stresseinwirkung auf Pflanzen. Nach der großen Dürre im Sommer 2003 wurden starke Auswirkungen auf die Ökosysteme sichtbar. Der Doktorand betont: „Zu diesem Zeitpunkt hat man angefangen, diese Vorgänge zu hinterfragen. Man hat entschieden, dass mehr darauf geachtet werden muss, was eigentlich passiert, wenn Ökosysteme mit solchen klimatischen Extremereignissen konfrontiert werden.“

Stress verändert Pflanzenfunktion

Wassermangel und die darauffolgende Dürre sind Stressfaktoren, die die Strategien der Pflanzen beeinflussen und nachhaltig verändern können. „Beginnenden Wassermangel können Pflanzen noch sehr gut aushalten. Dauert die Dürre allerdings länger an, dann bekommt das Grasland so einen Stress, dass die Pflanzen zunehmend eingeschränkt werden“, so der Doktorand. Damit meint der Ökologe, dass eine Reduktion der Photosynthese und der damit verbundene Rückgang der CO2-Aufnahme das Wachstum der Pflanzen hindert. Durch das Ausbleiben von Wasser ist das Grasland einem sogenannten Trockenstress ausgesetzt. Um Photosynthese betreiben zu können, müssen die Pflanzen CO2 aus der Umwelt aufnehmen. Dieser diffundiert durch Blattöffnungen, die Stomata, in die Pflanze. Gleichzeitig verlieren diese bei dem Vorgang Wasser. „Wenn es zu trocken wird, dann können sich die Pflanzen diesen Verlust nicht mehr leisten. Um Wasser zu sparen, verschließen sie die Stomata, wobei folglich die Photosynthese eingestellt wird“, erklärt der Doktorand. Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist jedoch nicht nur die Phase der Resistenz gegen die Dürre, sondern vor allem auch die Resilienz, die Erholung des Ökosystems nach Ende der Dürre relevant. „Das Grasland ist besonders resilient und erholt sich sehr schnell von den Auswirkungen der Dürre. Für uns ist jedoch interessant, ob sich das Ökosystems nach einem solchen Extremereignis dennoch dauerhalft verändert“, so Ingrisch.

Zelte auf der Alm

Im Stubaital auf der Kaserstattalm befindet sich die Versuchsfläche der Ökologen, auf der sie verschiedene Experimente durchführen können. Um Dürre zu simulieren, bauen Ingrisch und seinen Kolleginnen und Kollegen im Sommer etwa sechs bis acht Wochen Zelte auf. So kann Niederschlag auf diesen Flächen ausgeschlossen und damit Wassermangel induziert werden. Damit erzeugen sie unter kontrollierten Bedingungen für das darunter existierende Graslandökosystem einen Trockenstress, der die beschriebenen Auswirkungen zur Folge hat. „Mit diesem Versuchsaufbau können wir die Flächen, die von Dürre betroffen sind mit jenen, die den natürlichen Witterungen ausgesetzt sind, vergleichen“, erklärt der Ökologe. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen in ihren Untersuchungen noch einen Schritt weiter. Sie vergleichen nicht nur die Unterschiede der Pflanzenbestände bei Dürre und normalen Witterungen, sondern interessieren sich auch dafür, ob es Unterschiede je nach Standort und Umfeld gibt. Dafür werden Pflanzenbestände einer bewirtschafteten Mähwiese mit jenen einer Brachfläche verglichen. „Das zweite Untersuchungsfeld ist eine frühere Alm, die durch die Stilllegung mittlerweile verbuscht. Sträucher und Bäume kommen hier wieder zurück“, führt Ingrisch aus. Die Forscherinnen und Forscher stellen sich diesbezüglich die Frage, ob Brachflächen mehr oder weniger empfindlich sind als das bewirtschaftete Grasland. Mit dem Vergleich der Auswirkungen von Dürre auf Pflanzen einer Mähwiese und einer Brache geht für die Ökologen der Vergleich der Folgen von Wassermangel auf verschiedene Zusammensetzungen von Pflanzen einher. In einem separaten Versuchsaufbau werden unterschiedliche Pflanzenkombinationen wie beispielsweise Gräser und Kräuter untersucht. „Gräser können extrem viel Trockenstress aushalten, während Kräuter empfindlicher reagieren“, erklärt Ingrisch.

Dürre beschleunigt oder bremst den Klimawandel

Um ein allumfassendes Bild der Auswirkungen von Dürre auf Graslandökosysteme zu erhalten, interessiert sich Ingrisch besonders auch für den Austausch von CO2 zwischen Atmosphäre, Pflanze und Boden. „Pflanzen nehmen Kohlenstoff in Form von CO2 durch die Photosynthese auf und verlagern ihn teilweise in den Boden. Ebenso geben Pflanzen und der Boden durch Zellatmung oder den Abbau toten Pflanzenmaterials auch CO2 an die Atmosphäre ab“, stellt der Doktorand dar. In der Umwelt ist demnach ein großer Kreislauf des CO2-Austauschs zu beobachten, wobei Ingrisch betont, dass diese CO2-Flüsse von Aufnahme und Abgabe fast gleich groß seien. „Wenn diese nicht mehr im Gleichgewicht wären, dann würde das heißen, dass sich CO2 in der Atmosphäre möglicherweise anreichern könnte und damit wäre dieser Faktor ein Klimawandelbeschleuniger“, so der Ökologe. Die Untersuchungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konzentrieren sich auch darauf, wie Pflanzen den aufgenommenen Kohlenstoff unter Einfluss von Trockenstress verlagern. Ingrisch führt aus: „Dürreereignisse können dazu führen, dass sich das Verhältnis der CO2-Aufnahme und Abgabe verschiebt. Das würde heißen, dass sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre verändert und das könnte den Klimawandel beschleunigen oder bremsen.“ Pflanzen können mit unterschiedlichen Strategien auf Trockenstress reagieren. Dabei könnten sie den Kohlenstoff mehr in den Boden verlagern und Wurzeln wachsen lassen, oder sie könnten ihn in die oberirdische Biomasse investieren. Wie dies tatsächlich passiert, soll in dem Projekt bis Frühjahr 2016 geklärt werden. Wichtig für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es vor allem, ein Gesamtbild zu erstellen und ein genaues Bild davon zu bekommen, wie sich alpine Grasländer unter Stress verhalten. Erstmals untersuchen Ökologen gezielt die Zusammenhänge von Resistenz, also dem Verhalten während der Stressphase, und der Resilienz, der Erholungsphase. „Ich habe die Hoffnung, dass wir am Schluss genau sehen können, was die kritischen Punkte bei solchen Dürreereignissen für die Ökosysteme sind. Wir müssen das Verhalten von Ökosystemen unter Wassermangel verstehen, um Szenarien für zukünftige Dürreereignisse zu ermitteln.“, ist Ingrisch motiviert.