Neuer Schlüssel zur Parkinson-Therapie?

WissenschaftlerInnen der Universität Ulm entdeckten in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Univ.-Prof. Dr. Jörg Striessnig amInnsbrucker Institut für Pharmazie einen neuen molekularen Mechanismus, der Dopamin-ausschüttende Nervenzellen vor schädlicher Überaktivität schützen kann.
Die Wissenschaftler endeckten einen Mechanismus der die Dopamin-ausschüttenden Nerven …
Die Wissenschaftler endeckten einen Mechanismus der die Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen - im Bild - bei Morbus Parkinson schützen kann. Foto: Gerald Obermair

Fast 200 Jahre sind vergangen, seitdem der Londoner Arzt und Apotheker James Parkinson (1755-1824) in seiner „Abhandlung über die Schüttellähmung“ (1817) die wichtigsten Symptome der nach ihm benannten Nervenkrankheit beschrieb: Muskelzittern, Steifheit und Bewegungsstörungen. Die molekularen Mechanismen der Krankheitsentstehung liegen aber noch immer im Dunkeln. Bekannt ist, dass „Morbus Parkinson“ durch den Verlust von speziellen Nervenzellen in einer Mittelhirn-Region verursacht wird. Das Besondere an diesen Neuronen aus der sogenannten „schwarzen Substanz“ („Substantia Nigra“): Sie setzen in Abhängigkeit von ihren elektrischen Aktivitätsmustern Dopamin frei, einen Botenstoff, der im Volksmund auch als „Glückshormon“ bekannt ist. Dieser ist aber auch entscheidend dafür, dass wir uns bewegen können. Im Rahmen des FWF Spezialforschungsbereichs SFB-F44 konnten nun Ulmer Wissenschaftlerinnen aus der Arbeitsgruppe von Professorin Birgit Liss (Angewandte Physiologie) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Jörg Striessnig (Pharmakologie und Toxikologie) an der Universität Innsbruck mit ihrer neuesten Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Brain mehr Licht in bisher ungeklärte Signalwege des Morbus Parkinson bringen. Dabei ist es gelungen, zwei unterschiedliche Therapieansätze zur Behandlung der Parkinsonkrankheit in einem neuartigen molekularen Erklärungsansatz miteinander zu verbinden.

Neuer Ansatz

„Bisher wird Parkinson nur symptomatisch therapiert, indem versucht wird, den Dopamin-Mangel im Gehirn zu kompensieren. Dies geschieht entweder mit der Substanz L-Dopa oder aber mit sogenannten Dopamin-Rezeptor-Agonisten, die eine ähnliche Wirkung wie Dopamin vermitteln. Da aber immer noch nicht verstanden ist, warum die Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen im Verlaufe der Krankheit mehr und mehr absterben, gibt es derzeit noch keine Möglichkeit, die Parkinson-Krankheit aufzuhalten oder zu heilen“, erklärt Liss. Ein neuartiger therapeutischer Ansatz ergab sich aus einer großen epidemiologischen Studie. Diese zeigte, dass Medikamente gegen Bluthochdruck, die auch im Gehirn bestimmte Kalzium-Ionen-Kanäle blockierten, das Parkinson-Risiko deutlich senken. Insbesondere interessierte die Arbeitsgruppen der Zusammenhang zwischen diesen Kalziumkanälen und jenen Molekülen, über die Dopamin seine Wirkung vermittelt, und die bereits Ansatzpunkt von Medikamenten der Parkinsontherapie sind: den Dopamin-Rezeptoren. Genauer gesagt, geht es dabei um so genannte D2-Autorezeptoren. Diese Autorezeptoren befinden sich auf den Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen selbst, und bewirken in einem negativen Regulationskreislauf, dass Dopamin selbst die neuronale Aktivität und damit wiederum die Dopamin-Ausschüttung hemmt.
Die Forschergruppe wies in den Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen der Substantia Nigra von Parkinson-Patienten deutlich mehr aktivitätshemmende Dopamin-Autorezeptoren nach, als in der Kontrollgruppe. Den Wissenschaftlern gelang es schließlich in enger Zusammenarbeit mit Professor Jörg Striessnig und dem von ihm geleiteten FWF SFB, einen molekularen Zusammenhang zwischen der Sensitivität der zelleigenen Dopamin-Rezeptoren und der Aktivität bestimmter sogenannter Cav1.3 Kalzium-Kanäle aufzudecken. Genau den Kalzium-Kanälen, deren Blockierung durch Bluthochdruckmedikamente davor schützt, an Parkinson zu erkranken. „Wir haben in unserer Studie erstmals eine physiologische Funktion dieser Kalzium-Kanäle in den Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen gefunden, die zugleich eine zentrale Rolle für Morbus Parkinson haben“, so die Ulmer Forscher. Außerdem entdeckten sie Hinweise auf ein vermehrtes Vorkommen eines Kalzium-abhängigen Signalproteins (NCS-1) in den Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen bei Parkinson-Patienten, das als Bindeglied zwischen den Ionenkanälen und den Rezeptoren fungiert und damit einen weiteren neuen potentiellen Angriffspunkt für die pharmakologische Parkinsontherapie bietet.
"Wir arbeiten derzeit intensiv daran zu verstehen, wie genau und in welchem Ausmaß durch die pharmakologische Blockade von Cav1.3 Kalziumkanälen das Absterben der Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen verhindert werden kann und ob die Blockade dieser Kanäle alleine ausreicht, um die Parkinsonkrankheit aufzuhalten oder sogar ihren Ausbruch zu verhindert" erklärt Jörg Striessnig. Dies ist Gegenstand laufender Projekte innerhalb des SFB Forschungsnetzwerks. Unterstützt wurde das Forschungsprojekt neben dem FWF insbesondere auch durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Land Tirol.