Tuning macht Riboschalter dynamischer

Die Funktion von Biomolekülen wird erheblich durch ihre Form bestimmt. Nicht immer ist es allerdings einfach, den Einfluss von einzelnen Strukturelementenzu bestimmen. Gemeinsam mit New Yorker Kollegen haben Chemiker um Ronald Micura nun nachgewiesen, dass die Sensibilität eines bakteriellen Riboschalters durch einen kleinen Fortsatz stark beeinflusst wird.
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Strukturmodell des bakteriellen Riboschalters preQ1.

Riboschalter sind RNA-Moleküle, die oft lebenswichtige Stoffwechselvorgänge steuern und Sensor und Schalter in einer Struktur vereinen. Wird ein bestimmtes Stoffwechselprodukt gebunden, schließt der Riboschalter, und die Produktion von Proteinen basierend auf einem bestimmten Gen wird aktiviert. Die Forschungsgruppe um Ronald Micura vom Institut für Organische Chemie und dem Forschungszentrum für Molekulare Biowissenschaften (CMBI) hat die Funktionsweise von Riboschaltern in der Vergangenheit schon eingehend untersucht, so auch am bakteriellen Riboschalter preQ1. Ein wichtiger Vertreter in Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) zeigt die typische dreidimensionale Architektur, jedoch mit einer kleinen, strukturellen Erweiterung. „In ersten Untersuchungen haben wir festgestellt, dass der Riboschalter auch dann seinen Liganden bindet, wenn wir diese Erweiterung entfernen“, erzählt Micura. Nun haben die Chemiker gemeinsam mit Kollegen des Weill Medical College der Cornell University in New York einen genaueren Blick auf diesen Fortsatz geworfen und kamen zu dem überraschenden Ergebnis, dass die Erweiterung die Sensibilität des Riboschalters entscheidend beeinflusst. „Dieser kleine Fortsatz verändert die Dynamik des Schalters stark, und damit die Effizienz,“ sagt Micura. „Die Bindung alleine ist nicht entscheidend, sondern die Geschwindigkeit der Ligandbindung. Durch das zusätzliche Strukturelement wird die Dynamik der RNA so geändert, dass die Frequenz von Öffnen und Schließen des Riboschalters in die biologisch relevante Zeitskala für die Ausbildung erster Ligand-RNA-Kontakte - die in der Folge zur Ligandbindung führen - verschoben wird.“ Dieser Prozess entscheidet über das An- oder Abschalten des Gens und die Expression des entsprechenden Proteins in der Zelle.

Zahlreiche Anwendungsfelder

Die Aufklärung mechanistischer Eigenschaften von Riboschaltern auf molekularer Ebene wird immer wichtiger. Erst vor kurzem konnte Prof. Micura in der Fachzeitschrift Nature im Rahmen eines News & Views Beitrags eine Arbeit vorstellen, in der deutsche Kollegen die strukturelle Anpassung eines Riboschalters an Temperaturunterschiede nachweisen konnten. „Diese Forschungen geben uns tiefe Einblicke in die Art und Weise, wie sich Bakterien an veränderte Umweltbedingungen anpassen“, sagt Ronald Micura. „Die Erkenntnisse könnten uns aber auch helfen, neue Antibiotika zu entwickeln, die in das oft sensible dynamische Gleichgewicht von Riboschaltern eingreifen. Andere mögliche Anwendungsfelder sind die Umprogrammierung von Zellen oder der Einsatz von Riboschaltern als Biosensoren“, blickt der Chemiker abschließend in die Zukunft.