Städtewachstum führt zu Landnutzungswandel in den Anden

Weltweit führen Verstädterungsprozesse zu Landschaftsveränderungen. Gebirgstäler sind aufgrund ihrer Reliefeigenschaften und der damit verbundenen,höhenabhängigen Landnutzung besonders betroffen. Innsbrucker Geographen untersuchen die Zusammenhänge zwischen Verstädterungsprozessen am Talboden und dem Landnutzungswandel in den höheren Gebirgsstockwerken der tropischen Anden.
Der periurbane Raum als Stadt-Land-Schnittstelle. (Foto: Andreas Haller)
Der periurbane Raum als Stadt-Land-Schnittstelle. (Foto: Andreas Haller)

Der Andenraum zählt zu den am stärksten besiedelten Gebirgsregionen der Erde. Die anhaltende, oft armutsgetriebene Landflucht (Land-Stadt-Wanderung) sowie die Sehnsucht städtischer Bevölkerungsteile nach Ruhe und sauberer Umwelt (Stadt-Land-Wanderung) führen dabei zu einem tiefgreifenden Landnutzungswandel im periurbanen Hinterland andiner Städte. Dieser steht im Mittelpunkt eines vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) geförderten, dreijährigen Projekts mit dem Titel „Rapid urban growth in the Andes. Perception by and participation of local people“.

Urbanisierung und Intensivierung der Berglandwirtschaft

Unter der Leitung von Univ.-Prof. Axel Borsdorf vom Institut für Geographie und dem ÖAW-Institut für interdisziplinäre Gebirgsforschung untersucht ein Forschungsteam, wie die urbane Siedlungsexpansion im Gebirgsraum von periurbanen Kleinbauern wahrgenommen und bewertet wird, und wie diese Perzeptionen die Landnutzungsentscheidungen – und damit die Agrarlandschaft – beeinflussen. „Im Gegensatz zu den Städten des Alpenraums, sind die Peripherien tropisch-andiner Mittelstädte in Peru und Kolumbien zunehmend von sozial-räumlichen Ungleichheiten gekennzeichnet“, erklärt Axel Borsdorf. Diese wirkt sich – besonders in Kombination mit der vorherrschenden, wirtschaftsliberalen Politik – entscheidend auf die kleinbäuerliche Landnutzung im Hinterland aus: Die Entwicklung von Immobilienprojekten für die aufstrebende Mittelschicht führt zu Preisanstiegen auf dem Grundstücksmarkt, sodass die Pacht von zusätzlichem Agrarland in den Gunsträumen der Talböden für Kleinbauern zunehmend schwieriger wird. „Erste Analysen von multi-temporalen Satellitenbildern mittleren Maßstabs zeigen bereits klar, dass beispielsweise die Expansion der auf knapp 3400 m gelegenen Stadt Huancayo in Peru seit den 1980er-Jahren zu einer Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung in den oberen Höhenstockwerken führte“, sagt Projektmitarbeiter Andreas Haller vom Institut für Geographie, der für seine Forschungen Satellitenbilder aus mehreren Jahrzehnten analysiert hat. „Dies ist eine überraschende Erkenntnis, da Urbanisierung in Gebirgsräumen, etwa in den Alpen, durchwegs mit dem Niedergang agrarischer Nutzung im Stadtumland in Verbindung gebracht wird“, fügt er hinzu.

Partizipation und Planung zwischen Stadt und Land

In einem nächsten Schritt sollen nun die mit Methoden der Fernerkundung und Geographischen Informationssystemen gewonnenen, quantitativen Landnutzungsdaten mit qualitativen Ergebnissen empirischer Sozialforschung verknüpft werden. „Wir erhoffen uns, die Intensivierung der periurbanen Berglandwirtschaft aufgrund der bäuerlichen Bewertung des Städtewachstums und dessen Auswirkungen – etwa Bodenversiegelung, steigende Bodenpreise oder größere urbane Absatzmärkte für Agrargüter – erklären zu können“, so das Projektteam. Aufbauend auf einem tieferen Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Stadt und Land sowie Mensch und Umwelt sollen schließlich gemeinschaftsbasierte Landnutzungsstrategien entwickelt werden. Dies könnte, so die Geographen, entscheidend zu einer erhöhten Umwelt- und Sozialverträglichkeit der schnellen Stadt-Land-Transformation in den tropischen Andentälern beitragen und somit eine wichtige Entscheidungsunterstützung für lokale Planer und Politiker darstellen.

(Andreas Haller/red)