Sonnenschutz aus der Natur

Eine starke UV-Strahlenbelastung stellt für Organismen aus hochalpinen Lebensräumen kein Problem dar. Pharmazeuten der Uni Innsbruck sehen darin großes Potenzial für die Wirkstoffsuche. In einem Forschungsprojekt am Institut für Pharmazie wird die UV-Beständigkeit alpiner Algenarten untersucht, um mögliche Naturstoffe für den Hautschutz zu finden.
Innsbrucher Forscher wollen die UV-Beständigkeit alpiner Algenarten untersuchen. Foto …
Innsbrucher Forscher wollen die UV-Beständigkeit alpiner Algenarten untersuchen. Foto: Fellner/pixelio.de

Alpine Algen haben sich an die extremen Lebensbedingungen in den Bergen bestens angepasst. Sie sind sogenannte Extremophile, also Organismen, die bei großen Temperaturschwankungen, geringem Wasservorkommen und hoher UVA und UVB Strahlenbelastung überleben können. „Vor allem die durch die hohe UV-Strahlung ausgelösten Veränderungen in den Algen sind für uns interessant“, erklärt assoz.-Prof. Dr. Markus Ganzera vom Institut für Pharmazie der Uni Innsbruck. „Im Hochgebirge ist die Belastung mit UVA und UVB extrem hoch. Da diese Strahlung für Zellen generell schädlich ist, müssen die Algen Strategien entwickelt haben, um sich zu schützen.“ In einem vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) unterstützten Projekt will Ganzera gemeinsam mit seinem Team herausfinden, welche Inhaltsstoffe dieser Algenarten für deren UV-Resistenz verantwortlich sind.

Ungewöhnliches Forschungsobjekt

Normalerweise beschäftigt sich Markus Ganzera mit der Naturstoffanalytik und Naturstoffisolierung aus Heilpflanzen. „Der etwas ungewöhnliche Untersuchungsgegenstand Alge ergab sich durch unseren Projektmitarbeiter – Dr. Daniel Remias – der vom Institut für Botanik zur Pharmazie wechselte. Er wies uns erst auf die UV-Beständigkeit alpiner Algen hin“, beschreibt Ganzera, der in diesen Schutzmechanismen Wirkstoff-Potenzial sowohl für kosmetische Hautschutzprodukte als auch für Arzneimittel sieht: „Ein Sonnenbrand ist sehr vereinfacht eine entzündliche Reaktion der Hautzellen auf die schädigend wirkende UV-Strahlung. Die Metaboliten, die von den Algen zum Schutz produziert werden, wirken also sehr wahrscheinlich entzündungshemmend, wodurch sich neben dem Sonnenschutz auch viele andere Einsatzgebiete eröffnen“, so der Pharmazeut, der aber betont, dass seine Arbeit Grundlagenforschung ist, die erst die Basis für derartige Produkte liefern soll: „Zuerst geht es darum, herauszufinden, um welche Inhaltsstoffe es sich handelt und gezielt zu untersuchen, wie diese wirken.“

Erschwerte Bedingungen

Um diesen Inhaltsstoffen auf die Spur zu kommen, entschieden sich die Wissenschaftler 20 alpine Algenarten näher zu untersuchen. Sie wählten dazu hochalpine Blau-, Grün- und Gelbgrünalgen aus, die zwar taxonomisch identifiziert wurden, über die aber Informationen zu ihren Inhaltsstoffen, ihrer Bioaktivität oder ihren Schutzmechanismen gegen äußere Umwelteinflüsse fehlen. Damit mit reinen Proben gearbeitet werden kann, wurde das Ausgangsmaterial nicht selbst gesammelt sondern von speziellen Stammbanken bezogen. „Die Arbeit mit den Algen stellte uns dabei vor ungewohnte Probleme, die wir von unseren Studien mit höheren Pflanzen nicht kennen “, so der Pharmazeut. Die Mengen, die von den Stammbanken zur Verfügung gestellt werden, sind sehr klein. Um ausreichend Material für weitere Untersuchungen zu haben, mussten die Wissenschaftler die Algen erst kultivieren. „Es hat einige Zeit in Anspruch genommen, bis wir das passende Nährmedium und die optimalen Lichtverhältnisse für jede Art gefunden haben“, erklärt Markus Ganzera die Schwierigkeit dieses Prozesses. Unterstützt wird er dabei von seiner Projektmitarbeiterin, Apothekerin Anja Hartmann, die das Wachstum der Algen täglich überprüft und optimiert.

Erfolgversprechender Start

Nachdem ausreichend Material vorhanden war, konnten aus den Algen Extrakte für weitere Tests gewonnen werden. Diese wurden von den Projektpartnern Prof. Florian Überall, Dr. Johanna Gostner und MSc. Kathrin Becker von der Sektion für Medizinische Biochemie der Medizinischen Universität Innsbruck durchgeführt. „Das gemeinsame Gebäude, das wir uns seit kurzem mit der Medizinischen Universität teilen, bietet ein optimales Set-Up für unser Projekt“, zeigt sich Ganzera begeistert. Die ersten Tests, die auf antioxidative – also entzündungshemmende – Eigenschaften der Algen abzielten, ergaben drei besonders aktive Arten. „Drei Algenarten zeigten im Bereich der antioxidativen Eigenschaften eine besonders hohe Bioaktivität und wurden für weitere Untersuchungen ausgewählt “, so Markus Ganzera. Auch wenn die ersten Tests bereits erfolgsversprechend waren, ist noch viel zu tun. „Bei komplexen Mischungen wie Algenextrakten ist es schwierig, herauszufinden, welcher Inhaltsstoff für die Wirkung ausschlaggebend ist. Weitere verfeinerte Testverfahren – vor allem auch Tests an menschlichen Hautzellen – sind nun notwendig“, erklärt der Pharmazeut. „Auch wenn eine Probe eine überdurchschnittliche Bioaktivität in manchen Tests aufweist, sagt dies nichts darüber aus, wie sie in den Zellen reagiert.“ Da für die weiteren Untersuchungen aber mehr Ausgangsmaterial benötigt wird, muss zuerst die Produktion der drei ausgewählten Algenarten hochgefahren werden. „Für die Untersuchungen werden die Algenextrakte dann bioaktivitätsgeleitet aufgetrennt – da aber schon die Mengen des Ausgangsmaterials sehr klein sind, stellt uns dieses Verfahren auch im Bezug auf die dafür gewählten Methoden vor eine Herausforderung“, so Ganzera.

Neben der Identifizierung des für die UV-Beständigkeit der Algen verantwortlichen Inhaltsstoffes sollen Sonnensimulations-Studien zeigen, wie viel und wie lange UV-Strahlung benötigt wird, damit die Algen diesen UV-Schutz vermehrt bilden. Untersuchungen dazu werden am Helmholtz-Institut in München durchgeführt, da in den dort vorhandenen Klimakammern Bedingungen wie Temperatur und Licht genau simuliert werden können. Neben einem Naturstoff mit interessanten pharmakologischen Eigenschaften verspricht sich Markus Ganzera von dem Projekt auch wichtige Ergebnisse zu den verschiedenen Schutzmechanismen gegen hohe UV-Belastung. „Unsere Studie verbindet auf einzigartige Weise relevante ökologische Fragestellungen mit phytochemischen, analytischen und pharmakologischen Aspekten“, so Ganzera.

Dieser Artikel ist in der Februar-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version steht hier zur Verfügung (PDF).