Lebensqualität am Bildschirm

Eine Kooperation zwischen dem Institut für Informatik und engagierten Wissenschaftlern hat 2005 zur Weiterentwicklung einer medizinischen Software einesSpin-Off-Unternehmens beigetragen: Fragebögen, die Patienten digital ausfüllen, dienen der Evaluation von medizinischen Behandlungsmaßnahmen bei chronischen Erkrankungen.
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Einweisung eines Patienten in den Umgang mit der Software. (Foto: Evaluation Software Development)

„Wie fühlen Sie sich?“ Diese Frage gehört zum Standardrepertoire von Ärzten – und das zu Recht, ist doch das persönliche Befinden häufig ein zentraler Faktor bei der Beurteilung medizinischer Behandlungsmaßnahmen. Besonders im Falle von chronischen Erkrankungen, zum Beispiel bei Krebs, sind Fragen nach der Lebensqualität und den Therapiebeeinträchtigungen wichtige Informationen für die weitere Behandlung eines Patienten. Ein durch mehrere Bachelorarbeiten am Institut für Informatik weiterentwickeltes  Software-Paket unterstützt Ärzte nun bei der Evaluation von unterschiedlichen medizinischen Behandlungskonzepten: Das „Computer-based Health Evaluation System“ (CHES) genannte Softwarepaket fungiert als elektronisches Fragebogen- und Auswertungsinstrument zugleich.

Computergestützte Patientenbefragung

Die Patienten bekommen bei ihrem Arztbesuch statt eines Fragebogens aus Papier einen Tablet-Computer ausgehändigt, die Fragen beantworten sie am Touchscreen. „Die einfache Bedienbarkeit war eine zentrale Anforderung, damit auch Menschen, die nicht mit Computern umgehen können, gut damit zurecht kommen“, sagt Jakob Pinggera, einer der Hauptentwickler der CHES-Software und Doktorand am Institut für Informatik. Die Software wird inzwischen von einem Spin-Off-Unternehmen weiterentwickelt und vermarktet. Das nötige medizinische, statistische und psychologische Knowhow wurde und wird von verschiedenen Experten der Medizinischen Universität Innsbruck beigesteuert.

Die Patientinnen füllen auf ihre Erkrankung abgestimmte, standardisierte Fragebögen am Tablet-PC aus, wobei besonders darauf geachtet wird, dass die Fragen gut verständlich und einfach zu beantworten sind. Die Antworten werden in einem Ergebnisbericht zu verschiedenen Symptombereichen zusammengefasst. Wenn sich im Vergleich zu Patientinnen mit derselben Erkrankung beziehungsweise auch im Vergleich zu Gesunden auffällige Werte zeigen, wird der Behandler mittels der Software automatisch darauf aufmerksam gemacht. Das Arzt-Patienten-Gespräch kann damit auf die entsprechenden Symptombereiche fokussiert werden und der Arzt kann entsprechende Behandlungsmaßnahmen einleiten.

Das Arzt-Patienten-Gespräch besser nutzen

Das Computerprogramm hat somit einen direkten Nutzen für die Behandlung des individuellen Patienten, da das Gespräch mit dem Arzt bzw. der Ärztin besser vorbereitet wird. Durch die systematische Befragung zu verschiedensten Symptomen wird außerdem sichergestellt, dass keine relevanten Beeinträchtigungen übersehen werden. „Gleichzeitig dient die Software aber auch der Qualitätssicherung und der Forschung, da die standardisierte Auswertung zahlreicher Patienten-Daten über einen längeren Zeitverlauf der wissenschaftlichen Evaluation einer Behandlung dienen“, erklärt Dr. Bernhard Holzner von der Universitätsklinik Innsbruck.

Entsprechende Schnittstellen erlauben es auch, CHES in die vorhandene Krankenhaus-IT-Infrastruktur einzubinden. „Die Einbindung in vorhandene Krankenhaussysteme war durchaus eine Herausforderung“, sagt Jakob Pinggera. Anfangs waren auch Hardware-Hürden zu überwinden: „Wir mussten auch eine Version entwerfen, die in Krankenhäusern ohne WLAN-Anbindung funktioniert.“

Breit im Einsatz

Ein weiterer Vorteil von CHES liegt in der Anwendung von computer-adaptiven Testmethoden. Aus dem Antwortverhalten des Patienten wird basierend auf einem komplizierten Algorithmus die nächste Frage mit dem höchsten Informationsgehalt bereitgestellt. Die Belastung für die Patienten kann damit möglichst gering gehalten werden. „So etwas ist bei herkömmlichen Papierfragebögen nicht möglich“, erklärt Jakob Pinggera. Weiters wurde gemeinsam mit der Firma World-Direct in Sistrans, einer Tochterfirma von A1, im Rahmen eines Oncotyrol-Projektes eine iPad-App entwickelt, die ermöglicht, dass Patienten auch zu Hause Fragebögen zur Lebensqualität ausfüllen können. Dieses Vorgehen gibt den Behandlern zum Beispiel bei der Evaluation von Chemotherapien wertvolle Aufschlüsse über die Patientenbelastungen über den Zeitraum der Klinikaufenthalte hinaus.

CHES wird inzwischen in mehreren Kliniken in Österreich, Deutschland und der Schweiz eingesetzt. „Bis heute wurden rund 17.000 Patientenerhebungen bei etwa 7.000 Patienten erfolgreich durchgeführt“, sagt Bernhard Holzner. Derzeit kommt die Software hauptsächlich in der Onkologie und Orthopädie zum Einsatz. An der Umsetzung für andere medizinische Anwendungsgebiete wird gearbeitet. Zudem wird die Software auch für das Datenmonitoring bei internationalen klinischen Multicenterstudien eingesetzt.