Giftige Blaualgen trotzen verbesserter Wasserqualität

Limnologen des universitären Forschungsinstituts für Limnologie am Mondsee haben herausgefunden, dass die toxischen Individuen innerhalb derBlaualgenpopulation im Zürichsee seit über 30 Jahren dominant sind, obwohl die Nährstoffbelastung im See stark abgenommen hat.
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Toxische, rotpigmentierte Planktothrix rubescens: durch spezielle Färbung und Anregung im Mikroskop wurde die Erbsubstanz (DNA in blau) sichtbar gemacht. (Bild: Veronika Ostermaier)

Blüten von Cyanobakterien, besser bekannt als Blaualgen, führten bedingt durch die hohe Nährstoffbelastung von Gewässern (Eutrophierung) in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen. Diese Blaualgenpopulationen bestehen meist aus giftigen und ungiftigen Individuen, die sich genetisch unterscheiden. Die produzierten Gifte wirken unter anderem leberschädigend auf alle Wirbeltiere, sie stellen also auch eine potentielle Gefahr für die Bevölkerung dar. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Forschungsinstitut für Limnologie der Universität Innsbruck am Mondsee analysierten genetisches Material der Blaualge Planktothrix, das sie aus konservierten Wasserproben isoliert hatten. Durch diese Analyse gelang es ihnen erstmals, die genetische Entwicklung der Blaualgenpopulation des Zürichsees über einen Zeitraum von fast 30 Jahren (1977 bis 2008) im Detail nachzuvollziehen. Sie fanden heraus, dass die Population der toxischen Blaualge zugenommen hat und fast ausschließlich aus toxinbildenden Individuen besteht, obwohl die Nährstoffbelastung im Zürichsee stark abgenommen hat.

Wirtschaftswachstum und Algenblüte gingen Hand in Hand

In den 1960er und 1970er Jahren florierten Landwirtschaft und Tourismus mit nur geringer Rücksichtnahme auf negative Auswirkungen auf die Umwelt. Ungeklärte Abwässer und mit Nährstoffen angereicherte Oberflächenwässer gelangten direkt in die Alpenseen. Dies führte zu hohen Eutrophierungsraten und regelmäßigen Algenblüten in den Gewässern. Grüne oder rote, übelriechende Schwaden auf der Wasseroberfläche von Seen waren der Schrecken für Tourismusgebiete. Erst durch aufwändige und teure Abwasserentsorgung der umliegenden Gemeinden und gezieltes Gewässermanagement konnte eine Reoligotrophierung, also die Abnahme von Nährstoffen in den Gewässern, erreicht werden.

Probenarchiv ermöglicht Langzeitbeobachtung der Blaualgenentwicklung

Der Schweizer Zürichsee ist einer der Alpenseen, die einen derartigen Wandel durchgemacht haben. Im Rahmen eines zwischen 1980 und 2008 durchgeführten Langzeit-Monitoringprogramms der Limnologischen Station der Universität Zürich wurden regelmäßig Wasserproben genommen und konserviert. Die DOC-fFORTE-Stipendiatin Veronika Ostermaier vom Forschungsinstitut für Limnologie hat diese Proben in ihrer Doktorarbeit aufgearbeitet und genetisch analysiert. Der Fokus ihrer Arbeit liegt dabei auf den Cyanobakterien der Gattung Planktothrix, die als grünpigmentierte oder rotpigmentierte Art vorkommt, die jeweils verschiedene Umweltansprüche haben. Die rote Form bevorzugt tiefere, geschichtete Seen und vermeidet Starklicht, indem sie Gasvesikel in ihre Zellfäden einlagert und damit in einer Tiefe von ca. 12 Metern schweben kann. Die grüne Form vermehrt sich in seichten, nährstoffreichen Gewässern und ist an höhere Lichtintensitäten angepasst. Ziel der Untersuchung war herauszufinden, wie sich die beiden Formen unter den veränderten Umweltbedingungen entwickelt haben. Es wurde erwartet, dass die grün-pigmentierte Form zur Zeit der Eutrophierung im Zürichsee gegenüber der rot-pigmentierten Form im Vorteil war, weil durch das verstärkte Algenwachstum an der Oberfläche die Nische für die rot-pigmentierte Form verloren ging. Außerdem untersuchte die Biologin, ob ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von toxischen Individuen und jenen Individuen, die keine funktionellen Gene für die Synthese des Toxins mehr besitzen und der Pigmentierung in der Population besteht.

Stabilität in der Toxizität

„Im Mikroskop sehen die Fäden der Blaualge sehr ähnlich aus, erst die genetische Untersuchung zeigt große Unterschiede“, sagt die Forscherin. Ostermaier und ihr Betreuer, der Blaualgenspezialist Rainer Kurmayer, adaptierten eine bekannte Analysemethode für ihre Untersuchungen. Das Ergebnis war verblüffend: Nahezu alle Individuen der Population besaßen die Gene zur Toxinbildung und ihr Anteil war über den gesamten Untersuchungszeitraum erstaunlich stabil. Der Anteil der grün pigmentierten Individuen sowie jener der ungiftigen war im Gegensatz dazu immer sehr gering.

Kurmayer streicht die Bedeutung dieser Langzeitdaten für die genetische Untersuchung der Struktur von Algenpopulationen der Voralpenseen heraus: „Für das Gewässermanagement und für die Forschung ist es wichtig zu wissen, wie toxisch Algenblüten sind, und ob sich ihre Toxizität über die Jahrzehnte verändert. Die Antwort ist: Sie tut es nicht, was wahrscheinlich auf stabilisierende Umweltfaktoren zurückzuführen ist, die aber mit der Toxizität direkt nicht unbedingt in Zusammenhang stehen. So selektiert zum Beispiel die tiefe Durchmischung der Gewässer für Genotypen, die Gasvesikel ausbilden, die dem Wasserdruck standhalten können, aber die eben auch ihre Toxizität behalten haben.“

(Sabine Wanzenböck)