Gemischte Kristalle

Der unerwartete Besuch eines südafrikanischen Gastforschers in der Arbeitsgruppe von Prof. Ulrich Griesser am Institut für Pharmazie führte zu einer fruchtbarenForschungskooperation über die Kristalleigenschaften von zwei Arzneistoffen und ihrem Ko-Kristall. Die Ergebnisse wurden nun in einem renommierten Fachmagazin veröffentlicht, das der Arbeit die Titelseite widmete.
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Mit der Kofler-Kontakt-Methode kann die gemeinsame Kristallisation zweier Wirkstoffe analysiert werden. Die Zeitschrift „Chemistry - A European Journal“ wählte dieses Bild aus dem Innsbrucker Labor für die Titelseite. (Foto: Andreas Lemmerer)

Die Erforschung von Ko-Kristallen erlebt seit einigen Jahren einen regelrechten Boom. Die Kombination (Ko-Kristallisation) von zwei chemischen Verbindungen kann in bestimmten Fällen zu kristallinen Komplexen führen, die im Vergleich zu einer physikalischen Mischung der beiden Stoffe deutlich veränderte Eigenschaften besitzen. Industriell kann dies dazu genutzt werden, durch Zugabe eines Hilfsstoffs negative Eigenschaften von pharmazeutischen Wirkstoffen zu eliminieren. So kann zum Beispiel die schlechte Löslichkeit, die Haltbarkeit und die Wirksamkeit von Arzneimitteln durch Ko-Kristallisation mit als sicher eingestuften Substanzen verbessert werden. „Noch ist kein solches Produkt auf dem Markt“, weiß Ulrich Griesser vom Institut für Pharmazie. „Es sind aber mehrere Medikament in Vorbereitung, die auf dem Konzept der Ko-Kristallisation beruhen. In den vergangenen Jahren wurden dazu eine ganze Reihe von Patenten eingereicht.“ Dass dieses Verfahren keineswegs neu ist, zeigt eine bereits 1937 patentierte Verbindung des Beruhigungsmittels Pyrithyldion und des Kopfschmerzmittels Propyphenazon. Es ist dies bislang einer der wenigen, näher untersuchten Ko-Kristalle aus zwei Wirkstoffen.

Thermische Analysen

„Als ein renommierter Kooperationspartner aus Israel vor zwei Jahren mit der Bitte an mich herantrat, seinen damals in Österreich auf Besuch weilenden Assistenten im Labor aufzunehmen, weil eine Rückkehr nach Israel aufgrund der Raketenangriffe aus Gaza kurzfristig zu gefährlich gewesen wäre, bot ich dem jungen Wissenschaftler die Arbeit an eben dieser Molekülverbindung an“, erzählt Ulrich Griesser. Der südafrikanische Chemiker und Kristallograph Andreas Lemmerer interessierte sich schon früher für Ko-Kristallisation. Er nutzte die Zeit in Innsbruck, um die Analysenmethoden der hiesigen Forscher kennenzulernen und die Kristallisation sowie die thermodynamischen und strukturellen Aspekte der Verbindung genau zu studieren. Einige der von ihm verwendeten analytischen Verfahren wie die Kofler-Kontakt-Methode wurden an der Universität Innsbruck entwickelt. Das Ehepaar Ludwig und Adelheid Kofler widmete sich in den 1920er- und 30er-Jahren an der Universität Innsbruck der mikroskopisch-mikrochemischen Untersuchung von Arzneistoffen. Ihre Entwicklungen zur thermoanalytischen Untersuchung von Substanzen im Mikromaßstab, das Kofler Thermomikroskop und die Kofler Heizbank, sind bis heute unersetzliche Werkzeuge in der Thermoanalyse von Arzneistoffen und anderen chemischen Verbindungen geblieben. Noch heute kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt nach Innsbruck, um sich von den Experten in diese von der damaligen Nachfolgerin Maria Kuhnert-Brandstätter weiterentwickelten Verfahren einschulen zu lassen.

Ende November wurden nun die Ergebnisse der Untersuchungen, an denen auch das Institut für Mineralogie der Uni Innsbruck und eine Forschergruppe aus den USA beteiligt waren, in der renommierten Fachzeitschrift „Chemistry - A European Journal“ veröffentlicht. Die Zeitschrift widmete der Arbeit auch die Titelseite der Ausgabe. „Die Studie ist letztendlich sehr umfangreich geworden und wir haben sie für die Leser wie Lehrmaterial aufbereitet“, zeigt sich Ulrich Griesser stolz über die gelungene internationale Zusammenarbeit. Die Arbeit verbindet nicht nur Forscher aus vier Kontinenten, sondern auch moderne mit altbewährten Analysenmethoden sowie neue Forschungstrends mit historischen Aspekten.