Der Preis der Sicherheit

Die zerstörerische Kraft von Naturgefahren verursacht jedes Jahr große Schäden. 2010 wurden vom österreichischen Katastrophenfonds rund 160Millionen Euro an Schadenszahlungen geleistet. In einem europäischen Forschungsprojekt untersuchen Wissenschaftler Kosten und Nutzen von Schutzmaßnahmen im alpinen Raum.
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Stahlschneebrücken auf der Innsbrucker Nordkette (Foto: C. Pfurtscheller)

In Österreich werden jährlich rund 190 Millionen Euro in die Instandhaltung und den Bau von Schutzmaßnahmen an Flüssen investiert. Im Jahr 2009 gab die Wildbach- und Lawinenverbauung circa 120 Millionen Euro aus. Um die Wirksamkeit solcher Präventionsmaßnahmen zu steigern, müssen Kosten von Schutzmaßnahmen sowie die entstandenen und vermiedenen Schäden durch Naturgefahren besser erfasst werden. Dieser Aufgabe haben sich Forscherinnen und Forscher im Rahmen des europäischen Projekts „ConHaz - Costs of Natural Hazards“ verschrieben, ein eigener Arbeitsbereich befasst sich mit alpinen Naturgefahren. Die Wissenschaftler evaluieren dazu die Methoden zur Erfassung vergangener und möglicher zukünftiger Schäden durch Hochwasser, Muren, geologische Massenbewegungen und Lawinen. So sollen Verbesserungspotentiale und Handlungsoptionen identifiziert werden. Der Innsbrucker Geograph und Volkswirt Clemens Pfurtscheller vom Institut für Geographie der Universität Innsbruck evaluiert die Kosten von alpinen Naturgefahren in Kooperation mit der Geoökologin Annegret Thieken, der stellvertretenden Direktorin am Climate Service Center (CSC) des Helmholtz-Zentrums Geesthacht in Hamburg. „Die ökonomische Beurteilung umfasst direkte Schäden und indirekte ökonomische Effekte, aber auch schwer berechenbare Schäden wie Verletzungen oder gar Todesopfer“, sagt Clemens Pfurtscheller. „Schäden an Kulturgütern werden bis dato nicht systematisch analysiert.“ 

Innsbruck von mehreren Risiken betroffen

Wie hoch darf oder muss der Vorsorgeaufwand sein? Wer trägt welche Kosten? Diese Fragen diskutierten Experten aller Alpenstaaten Mitte Mai in Innsbruck im Rahmen eines ConHaz-Workshops. Eine von Prof. Axel Borsdorf vom Institut für Gebirgsforschung der ÖAW geleitete Exkursion führte die internationalen Gäste zu den Hotspots im Naturgefahrenbereich um und in Innsbruck. „Der Klimawandel und die immer intensivere Nutzung im Alpenraum werden die jährlich zu erwartenden Schäden an privatem und öffentlichem Vermögen mit großer Wahrscheinlichkeit steigen lassen“, sagt Clemens Pfurtscheller. „Innsbruck ist als einzige Alpenstadt direkt von mehreren Risiken betroffen. Die gewaltigen Schutzmaßnahmen an der Innsbrucker Nordkette belegen dies deutlich.“

Europa als Vorreiter

Obwohl die Alpenländer sich schon vor Jahren auf einen gemeinsamen Ansatz zur Dokumentation von Naturereignissen im Alpenraum geeinigt haben und damit eine Vorreiterrolle in Europa einnehmen, ist bei der monetären Schadenseinschätzung noch viel zu tun. ConHaz-Projektkoordinator Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung erklärt: „Gerade die Evaluierung der Kosten der Einsätze durch Blaulichtorganisationen und indirekte ökonomische Effekte finden in der Praxis noch zu wenig Beachtung. Hier ist die Wissenschaft aufgefordert, den Dialog mit den Anwendern zu verstärken.“ Annegret Thieken ergänzt: „Wir müssen viel mehr aus vergangenen Katastrophen lernen und systematisch Daten erheben, um auch die Einflüsse von Naturgefahren auf das regionale Wirtschaftssystem zu verstehen. Dies erfordert interdisziplinäre Ansätze und länderübergreifende Kooperation.“ Das Hochwasser 2005 in Tirol wird deshalb von den Forschern zurzeit im Detail analysiert.

Das europäische Koordinierungsprojekt „ConHaz - Costs of Natural Hazards“ mit sieben Partnern aus Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Deutschland, Italien, Spanien und Österreich wird im 7. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union gefördert. Der Projektbericht wird im August dieses Jahres vorliegen.