Berufliche Relevanz des Bachelor Abschlusses

Am 09. November luden die Österreichische Universitätenkonferenz und die Universität Innsbruck alle Interessierten zum dritten Workshop zum Thema "Berufliche Relevanz des Bachelor-Abschlusses" in die Aula der Universität Innsbruck ein.
v. l.: Mag. Martha Eckl, Dr. Silvia Hellmer, VR Univ.-Prof. Dr. Rudolf Mosler, Univ.- …
v. l.: Mag. Martha Eckl, Dr. Silvia Hellmer, VR Univ.-Prof. Dr. Rudolf Mosler, Univ.-Prof. Dr. Ulrich Teichler, VR Univ.-Prof. Dr. Hubert Lengauer

Im Rahmen des Workshops wurde die berufliche Relevanz des Bachelor-Abschlusses aus mehreren Blickwinkeln beleuchtet. Grundlegende Fragestellungen wurden mit ExpertInnen diskutiert, zusätzlich konnten die Komplexität des Employability-Begriffs und die Missverständnisse, die im deutschsprachigen Bereich um diesen Begriff bestehen, identifiziert werden.

 

Die professionelle Relevanz des Bachelors – was ist daran so provozierend?

In seinem lebendigen Vortrag zeigte Univ.-Prof. Dr. Ulrich Teichler vom Internationalen Zentrum für Hochschulforschung der Universität Kassel, dass die Studienangebote von Hochschulen die potentiell berufsrelevanten Kompetenzen von Studierenden prägen. Sie unterscheiden sich von beruflicher Ausbildung außerhalb der Hochschulen dadurch, dass sie stärker auf unbestimmte Aufgaben vorbereiten und immer zugleich zur Infragestellung der bisherigen Konventionen der Berufstätigkeit qualifizieren. Dabei, so Teichler, gebe es Unterschiede nach Studienfächern, Hochschul- und Studiengangarten, die sich im Laufe der Zeit ändern. Mit der Hochschulexpansion ist die Frage, wieweit und wie die Hochschulen die berufliche Relevanz in den Studienangeboten bedenken sollten, stärker in den Vordergrund gerückt. Das deutsche Hochschulrahmengesetz von 1976 ist ein Beispiel für eine solche Aufforderung zur Reflexion der beruflichen Relevanz. Im Bologna-Prozess tritt die Frage in zweierlei Hinsicht in den Vordergrund. Erstens werden die Universitäten aufgefordert, die mit gestuften Studiengängen und –abschlüssen gegebene intra-institutionelle Differenzierung ernst zu nehmen, also zu entscheiden, was sie auch für diejenigen Studierenden leisten, die mit dem Bachelor in den Beruf eintreten. Zweitens drängt der „Zeitgeist“ – während des Bologna- Prozesses, aber unabhängig von der System-Logik der Reform – die Frage auf, ob die Wissensgesellschaft eine stärkere Instrumentalisierung des Lernens an Hochschulen nahe legt. Die Universitäten stehen, so Teichler, nicht unter Zwang, sich dem instrumentellen Ton von „employability“ zu beugen, aber sie kommen nicht an stärkerer „output and outcome awareness“ vorbei – einer stärkeren Reflexion und darauf bezogenen Entscheidungen, was die berufliche Relevanz ihrer Studienangebote ist und sein soll.

 

Berufliche Relevanz des Bachelors am Beispiel der Universität Salzburg

Am Beginn seines Vortrages erläuterte Vizerektor Univ.-Prof. Dr. Rudolf Mosler von der Universität Salzburg die rechtlichen Grundlagen bzw. leitenden Grundsätze Freiheit der Wissenschaften und ihrer Lehre, Lernfreiheit im Spannungsfeld der (rechtlichen) Notwendigkeit der Berücksichtigung der Erfordernisse der Berufszugänge und die daraus entstehende Verantwortung der Universitäten bzw. der Lehrenden. Neben der Bildung durch Wissenschaft und durch die Entwicklung und Erschließung der Künste ist die künstlerische, pädagogische und wissenschaftliche Berufsvorbildung ebenso Aufgabe der Universitäten wie die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung. Mosler berichtete weiters über die an der Universität Salzburg seit dem WS 01/02 gesammelten Erfahrungen mit der neuen dreigliedrigen Studienarchitektur. In diesem Zusammenhang sind Hemmnisse im Bereich der Mobilität zwischen Universitäten und Fachhochschulen im nationalen und internationalen Kontext ebenso zu diskutieren bzw. zu lösen wie ein adäquater und pragmatischer Umgang mit dem Thema der Anrechnungspraxen von Studienleistungen. Keinesfalls außer Acht gelassen werden können, insbesondere unter dem Aspekt der Mobilitätsförderung, das wertfrei zu diskutierende Spannungsfeld Autonomie der Universitäten (Stichwort Leistungsvereinbarungen) versus einheitlicher und damit mobilitätsförderlicher Studiengestaltung.

Die mit einer gewissen statistischen Unsicherheit behaftete Reduktion des Dropouts an der Universität Salzburg und der auch von Studierendenseite wieder erhobene Vorwurf der engen Strukturvorgaben bzw. der Verschulung müssen, wie auch die aktuell „schwarz-weiß“ geführte Diskussion „Bildung vs. Ausbildung“ differenzierter behandelt werden. Mosler diskutierte in seinem Beitrag die Begrifflichkeiten bzw. Konstrukte und stellt deren unterschiedliche Bedeutung bzw. Gewichtung für die einzelnen Disziplinen in den Vordergrund. Die Notwendigkeit einer Begriffsschärfung betonte Mosler auch am Beispiel curricularer Qualifikationsprofile und am Begriff der employability, bereicherte diese Diskussion aber um die Aspekte der gesellschaftsrelevanten Seniorenstudien und Konzepte zum lebensbegleitenden Lernen.

Die Ergebnisse „Wie man in der Wirtschaft über den Bachelor denkt“ (WKO Studie, Campbell, D. & Brechelmacher, A. (2007). Bachelor Neu und der Arbeitsmarkt. Analyse der Sichtweisen von wirtschaftlichen Unternehmen und von Universitäten und Fachhochschulen. Forschungsprojekt im Auftrag der WKÖ. Wien.) stellte Mosler den Ergebnissen gegenüber, wie sie im Rahmen einer Studie an der Universität Salzburg gewonnen wurden (Klaus, E. & Dürager, A. (2009). Kowi-AbsolventIn gesucht ... oder nicht? Ergebnisse zu Arbeitsmarktchancen von AbsolventInnen des Studiengangs Kommunikationswissenschaft an der Paris-Lodron Universität Salzburg. Zwischenbericht im Rahmen des Projekts "Einstieg in die Berufswelt. Chancen und Herausforderungen der Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs Kommunikationswissenschaft". Universität Salzburg.) und wies sowohl auf Übereinstimmungen als auch auf relevante Abweichungen und deren möglichen Interpretationen hin.

Als Anregung für zukünftige Diskussionen und Aufgaben benannte Mosler zudem eine notwendige Weiterentwicklung im Bereich der Bachelorstudien, nachhaltige Maßnahmen zur Mobilitätsförderung und eine Bewusstseinsbildung am Arbeitsmarkt.

 

IFF - Projekte zum Thema employability

Dr. Silvia Hellmer, Institut für Wissenschaftskommunikation & Hochschulforschung Arbeitsbereich Arbeitswelt & Hochschule der IFF Wien  (Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung) präsentierte in ihrem Vortrag zwei Lehrprogramme und die Ergebnisse der Begleitforschung zum Thema employability. Das erste Lehrprogramm wurde als einer der Schwerpunkte im Rahmen eines großen EU Projektes zu „Universität & Arbeitsmarkt – Berufsorientierung und prozessorientiertes Lernen“ durchgeführt und hat sich drei Ziele gesetzt: (1) die Unterstützung von Studierenden im Übergang ins Berufsleben durch Berufsorientierung; (2) die Arbeit an einem Praxisprojekt, das erste Kontakte in ein Berufsfeld knüpfen sollte; (3) die Entwicklung von Prozesskompetenzen. Prozesskompetenz wurde verstanden als ein Bündel von Qualifikationen, die disziplinäre und fachliche Kompetenz der Studierenden mit Kommunikations- und Teamkompetenz, Projekt- und Organisationskompetenz verknüpft. Die Verbindung von fachlicher und sozialer Kompetenz wurde, so Hellmer weiter, als Prozesskompetenz definiert: „Über Prozesskompetenz verfügt eine Person, wenn sie in der Lage ist, vernetzt und in Prozessen zu denken und zu handeln. Dies setzt voraus, dass Fach- und Sozialkompetenz zur Lösung von Fragestellungen und Problemstellungen herangezogen wird.“ Das Lehrprogramm wurde dreisemestrig in drei konstanten Gruppen zu je 17 TeilnehmerInnen geführt. Darüber hinaus haben die Studierenden gemeinsam mit den Lehrenden eine Tagung zu „Biografie & Berufsfeld“ organisiert, auf der verschiedene Berufsfelder und Biografien sichtbar wurden, indem die Studierenden RepräsentantInnen aus Berufsfeldern ihrer (potenziellen) Wahl biografisch interviewt haben. Die Tagung wurde von den Studierenden gemeinsam mit der Lehrprogrammsleitung in einem Bändchen „Verschlungene Wege. Von der Uni ins Berufsleben“ publiziert. Das zweite Lehrprogramm „Interdisziplinäre Kommunikation, Wissensnetzwerke und soziales Lernen“ wird seit 10 Jahren als Wahlfachbündel angeboten, das Studierende der Universität Klagenfurt und Wien besuchen. Die Studierenden sind überwiegend aus sozial und geisteswissenschaftlichen Disziplinen (DiplomandInnen, mittlerweile auch Studierende von Bachelor, Master); das Lehrendenteam ist ebenfalls interdisziplinär zusammengesetzt. Inhaltlich sind die Schwerpunkte ähnlich: (1) Berufsfeldorientierung; (2) Interdisziplinäre Forschung (aber kein Praxisprojekt, lediglich kleine Projekte als Lerngegenstand); (3) soziale Kompetenz und soziale Netzwerkanalyse. Die Begleitforschung hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die Wirtschaft aufgrund zunehmender Veränderungsdynamik (Internationalisierung, Wissensgesellschaft, Kundenorientierung) zunehmend Prozesskompetenz nachfragt, um ihre Veränderungsprozesse besser bearbeiten und steuern zu können. Daran schließt sich die Frage an, ob in einem solchen Fall vermehrt AkademikerInnen mit solchen Kompetenzprofilen aufgenommen werden, und ob die Unternehmen intern Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich „Prozessgestaltung und Changemanagement“ setzen. Befragt wurden 31 VertreterInnen von Unternehmen aus Deutschland und Österreich. Im Überblick war das Ergebnis, dass die Unternehmen selbst Kompetenzrahmen für die Aufnahme und interne Rekrutierung ihrer MitarbeiterInnen definiert haben und prozessorientierte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Unternehmen selbst durchführen. Dementsprechend haben AbsolventInnen von Universitäten bessere Chancen beim Berufseinstieg, wenn sie über Prozesskompetenzen verfügen bzw. erhöht dies ihre employability. Darüber hinaus wurden Interviews mit ExpertInnen aus dem Bildungsbereich geführt (Makroökonomisch orientierte BildungsexpertInnen, RepräsentantInnen von Universitäten und Beratung/Training, VertreterInnen von AMS und Ministerien). Im Überblick hat sich folgendes gezeigt: (1) Ergänzende Kompetenzen wie Prozesskompetenzen werden wichtiger, vor allem in innovativen Bereichen. (2) Wichtigste interne Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in Unternehmen sind Coaching, MitarbeiterInnenführung, Persönlichkeitsentwicklung, Konfliktmanagement und Teamfähigkeit (J. Markowitsch/P. Strobl (Hrsg.), Betriebliche Weiterbildung in Österreich). (3) Der Europäische Qualifikationsrahmen ist auf Kompetenzerwerb gerichtet. Im Mittelpunkt steht der outcome von Lernprozessen. Daraus ergibt sich auch eine Stärkung von Kompetenzerwerb im Studium.

Resümierend berichtete Hellmer, dass im Zentrum der Lehrprogramme und der Forschungsarbeit die Auseinandersetzung mit der Wirksamkeit von Wissen angesichts zunehmender Veränderungsdynamik in unserer Gesellschaft stand. Gerade für AkademikerInnen (Führungskräfte, spezielle ExpertInnentätigkeit, Projektarbeit) ist laut Hellmer der Erwerb von Prozesskompetenz eine wichtige Zusatzqualifikation.

 

Berufliche Relevanz der Bachelor-Abschlüsse – Sicht der Arbeiterkammer

In ihrem Beitrag zum Workshop berichtete Mag. Martha Eckl von der AK Wien, dass in Folge der sozioökonomischen Veränderungen der letzten Jahre Bildungs- und Qualifizierungsprozesse im Bereich des Wirtschafts- und Arbeitslebens immer mehr an Bedeutung gewonnen hätten. Für die AK ist Bildung nicht nur ein Schlüsselfaktor für die weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung, sondern auch für die persönlichen und beruflichen Chancen von Menschen. Den Universitäten komme hier als wissenschaftsbasierter Bildungseinrichtung eine besondere Rolle zu. Aus Sicht der AK als ArbeitnehmerInneninteressenvertretung sind – neben zentralen Themen wie Bildungszugang oder Chancengerechtigkeit - die Berufschancen für die AbsolventInnen von wesentlicher Bedeutung. Es gehe hier jedoch nicht um die reine kurzfristige, berufliche Verwertbarkeit: So sollen z.B. im Bachelorstudium Grundlagen- und Reflexionswissen, Methoden-, Sozial- und Handlungskompetenz auch unter dem Aspekt der Anforderungen der Arbeitswelt vermittelt werden. Die Umstellung auf das Bologna-System werde bezüglich der Zielsetzungen wie vergleichbare Abschlüsse, kürzere Studiendauer, bessere Anerkennung etc. grundsätzlich begrüßt, allerdings im Hinblick auf die Rahmenbedingungen (z.B. schlechte Studienbedingungen in den Massenfächern, wenige klare Aussagen von ArbeitgeberInnenseite bezüglich Gehaltseinstufung und Karrierechancen) und die Umsetzung (z.B. Studienplangestaltung ohne Einbeziehung von VertreterInnen der Arbeitswelt, „Überfrachtung“) kritisch bewertet. Auch nach 10 Jahren, so Eckl, so das „neue“ Studiensystem durch Debatten um den geringen Informationsstand und Imageprobleme gekennzeichnet. Insbesondere der Bachelor gelte nach wie vor als „bildungspolitisches Sorgenkind“, um welches man sich zu kümmern habe. Aus ArbeitnehmerInnenperspektive genügt es daher nicht, lediglich Erfolgsstatistiken über die Bologna-Umstellung zu publizieren, für spürbare Verbesserungen im Sinne der angestrebten Ziele müsse ein umfassendes Maßnahmenpaket geschnürt werden. Der „Elchtest“ für den Erfolg von Bachelorstudien sind die Arbeitsmarktrelevanz und die konkreten Jobchancen der AbsolventInnen wären die Rahmenbedingungen für eine spätere Höherqualifizierung. Falls diesbezüglich keine Aktivitäten zur Verbesserung gesetzt würden, so Eckl weiter, sei weiterhin mit sehr hohen Übertrittsraten zum Masterstudium zu rechnen, dh. in Summe längeren Studiendauern und höheren Kostenbelastungen für die Studierenden bzw. deren Eltern und den Staat. Die AK fordert daher u.a. ausreichende Ressourcen für bessere Studienbedingungen, eine „Reform der Reform“ (kontinuierlicher Dialog mit der Arbeitswelt bei der Studienplanerstellung, Überprüfung der Studierbarkeit, verbesserte Anrechnungspraxis udgl.), die Einrichtung von berufsbegleitenden Masterstudien, sowie eine breite Informationskampagne, damit Eltern, SchülerInnen, Personalverantwortliche etc. besser über die neuen Abschlüsse Bescheid wissen. Notwendig ist, laut Eckl, auch eine sichtbare reale Akzeptanz durch die ArbeitgeberInnen, z.B. in punkto Gehaltseinstufungen oder Stellenausschreibungen.

 (ip)

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