Die Gletscher verschwinden – was dann?

Eines der sichtbarsten Zeichen der Klimaänderung ist der Rückzug der Gletscher. Der Verlust der Eisfläche lässt jedoch zeitgleich etwas Neues entstehen: Gletschervorfelder. Diese steinigen Flächen, die bisher unbesiedelt unter dem Eis lagen, bieten der alpinen Fauna und Flora neue Ausbreitungs- und Siedlungsmöglichkeiten.
Das Gletschervorfeld am Rotmoosferner
Das Gletschervorfeld am Rotmoosferner

Dieses Thema stand im Mittelpunkt eines Workshops, zu dem sich mehr als 50 WissenschafterInnen aus sieben Nationen (Österreich, Deutschland, Schweiz, Tschechien, Norwegen, USA, Italien, Spanien) im Universitätszentrum Obergurgl trafen. Gletschervorfelder sind ausgezeichnete Modellsysteme, in denen sich minimale Temperaturerhöhungen empfindlich und verhältnismäßig schnell auswirken. Die Effekte des Klimawandels und ihre Auswirkungen wurden eindrücklich anhand von paläoökologischen und glaziologischen Daten, sowie anhand von Anpassungen und Veränderungen der Vegetation, der Fauna, der Pilzgesellschaften und von Bodenparametern präsentiert.

 

Gletschervorfeld-Forschung hat in Obergurgl und an der Universität Innsbruck eine lange Tradition: Bereits 1958 untersuchte Walter Gams im Zuge seiner Dissertation Bodenpilze in Obergurgl. Sozusagen „nebenbei“ hat er dabei eine neue, Cyclosporin produzierende Pilzart entdeckt (Tolypocladium inflatum Gams). Durch dieses Medikament wurden Organ-Transplantationen überhaupt erst ermöglicht. Vor mehr als 40 Jahren wurde hier auch die Vegetation der verschiedenen Sukzessionsstadien von Gletschervorfeldern erstmals von Jochimsen erfasst. Ihre Daten dienen heute als wichtige Vergleichsgrundlage für klimatisch bedingte Veränderungen.

 

Ein wichtiges Ziel dieses Workshops war die Verknüpfung verschiedener Wissensdisziplinen. Interdisziplinäre methodische und analytische Ansätze werden in Zukunft unerlässlich sein, um die schnellen und extremen Veränderungen in Gletschervorfeldern besser erfassen und miteinander vergleichen zu können. Eine solide und standardisierte Datenbasis ermöglicht es dann, Veränderungen in den Gletschervorfeldern der Arktis und Antarktis sowie des alpinen Bereichs zu modellieren und langfristige Prognosen zu erstellen.

 

Kurzfassungen (Abstracts) der Beiträge zum Internationaler Gletschervorfeld Workshop sind in einem Sonderband (Supplementum 18, 2008) der Berichte des naturwissenschaftlich-medizinischen Vereins Innsbruck erschienen. Das Organisationskomitee (Brigitta Erschbamer, Eva-Maria Koch, Gilbert Neuner und Ursula Peintner) dankt dem Vizerektorat für Forschung, dem Dekanat für Biologie, der Abteilung Umweltschutz, Referat Naturkunde, dem Naturpark Ötztal, dem Ötztal Tourismus Obergurgl-Hochgurgl  sowie der Forschungsplattform „Alpiner Raum – Mensch und Umwelt“ der Universität Innsbruck für die finanzielle Unterstützung.

 

Text: Universitätszentrum Obergurgl