Wozu Medienbildung?

Dieser Frage ging Ende Februar eine Tagung im Rahmen der Konferenz-Reihe „Medien – Wissen – Bildung“ der an der Uni Innsbruck nach, die auf Initiative des Instituts für Psychosoziale Intervention und Kommunikationsforschung stattfand. Die Tagung folgte dem Anspruch, sich dem „Drehtürbegriff“ Medienbildung zu nähern und ihn wissenschaftlich, praktisch und künstlerisch abzutasten.
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Prof. Theo Hug, Sprecher der Innsbruck Media Studies, eröffnet die Medien-Wissen-Bildung Tagung 2015. Bild: Ulrike Pfeiffenberger

Ende Februar 2015 fand an der Universität Innsbruck eine weitere Ausgabe der Konferenz-Reihe „Medien – Wissen – Bildung“ statt. Organisiert wurde die Konferenz vom Institut für Psychosoziale Intervention und Kommunikationsforschung sowie dem Forum Innsbruck Media Studies der Universität Innsbruck in Kooperation mit der AG Medienkultur und Bildung der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) sowie der Sektion Medienpädagogik der Österreichischen Gesellschaft für Forschung und Entwicklung im Bildungswesen (ÖFEB).
Die diesjährige Tagung folgte dem Anspruch sich dem „Drehtürbegriff“ Medienbildung zu nähern und diesen wissenschaftlich, theoretisch, praktisch und künstlerisch abzutasten und zu legitimieren. Das im Call formulierte Ziel war es, in einer „interdisziplinären und internationalen Gemengelage Synergien“ zwischen heterogenen Zugängen zu eruieren und sichtbar zu machen. Neben klassischen Vorträgen mit anschließender Diskussion fanden Lightning Talks, Poster Sessions, Workshops, Paper Discussions und ein Speed-Dating, bei dem im Schnellverfahren differente wissenschaftliche Zugänge kennengelernt und gegenübergestellt werden konnten, statt.
Die übergeordneten Fragen lauteten: „Welche Zielvorstellungen generiert Medienbildung hier? Wozu wird diese betrieben?“. Oder kurz: „Medienbildung wozu?“
Kritisch kann man daran anschließend fragen: Wozu eine wissenschaftliche Konferenz zur Frage des Wozu der Medienbildung? - Dieser Frage geht der vorliegende Tagungsrückblick an Hand einiger konkreter Aspekte nach.

Interdisziplinarität und Vermittlung zwischen Wissenschaft und Praxis

Eine Besonderheit der Veranstaltung liegt in der disziplinären Heterogenität der TeilnehmerInnen. Unter den Vortragenden und rezipierenden sowie diskutierenden BesucherInnen fanden sich u.a. WissenschaftlerInnen aus den Bereichen Bildungswissenschaft/Pädagogik, Philosophie, Medienwissenschaft und Kulturanthropologie, Soziologie und Informatik; theoretische DenkerInnen, empirische ForscherInnen und medienbildende PraktikerInnen unterschiedlicher Medienspaten sowie Studierende, NachwuchswissenschaftlerInnen und aufstrebende sowie schon renommierte ProfessorInnen.

 Atmosphäre und Gesprächskultur

Die Heterogenität der beteiligten Personen und die Pluralität der Vorträge, Workshops, Posters und Co. haben ein Mitdiskutieren und Hinterfragen angeregt. Die entspannte Atmosphäre ermöglichte einen Austausch auf Augenhöhe, der von Wertschätzung, einem gemeinsamen Weiterdenken und Interesse an Erfahrungswerten gekennzeichnet war. Ob der Diskussionsfreude wäre eine längere Diskussionszeit nach den Inputs von Vorteil gewesen. Nur an wenigen Stellen ist der Geltungsdrang und das Gewinnen eines argumentativen Schlagabtausches in den Vordergrund gerückt und hat ein Diskutieren auf Augenhöhe verhindert. Nur an wenigen Stellen wurde der interdisziplinäre Austausch von disziplinären Grabenkämpfen oder Verständigungsschwierigkeiten zwischen Theorie und Wissenschaft auf der einen Seite und praktischer Medienbildung auf der anderen Seite unterbrochen. Ergänzend möchte ich an das herzliche Welcoming im Innsbrucker Stiftskeller, das gesellige Abendessen in der Glasmalerei, die entspannten Gespräche bei Kaffee und Kuchen und an die kreative Freizeitgestaltung in Form der Stadtführung, Bergwanderung und Co. (bei denen ich persönlich leider nicht dabei sein konnte) erinnern. Diese Programmpunkte waren nicht nur angenehme Abwechslung, sondern ermöglichten gleich vom ersten Abend weg eine Atmosphäre des Austauschs.

Inhaltlich: Zwischen Pluralität der Beiträge und gemeinsamen Schlüsselfragen

Auf den ersten Blick zeigt das Programm der Tagung plurale methodische Zugänge, inhaltliche Schwerpunktsetzungen und disziplinäre Verortungen zur übergeordneten Frage des Wozu´s der Medienbildung. Der zweite Blick und die Diskussionen vor Ort haben aber gezeigt, dass sich die übergeordnete Frage in einige Unterfragen auffächert, die in unterschiedlicher Intensität, aber doch von den meisten Beiträgen behandelt oder gestreift wurden. Darunter fallen die Spannungsfelder von

  • Medienbildung zwischen E-Learning und transformatorischen Bildungs-, Subjektivierungs- und Selbstbestimmungsprozessen;
  • Medienbildung in Abgrenzung zur Medienkompetenzdiskussion;
  • Medienbildung als zu erlernende Inhalte von der Kleinkindpädagogik bis zur schulischen und universitären Bildung oder Medienbildung als holistische Leitlinie institutioneller Entwicklungen von Bildungsinstitutionen;
  • Medienbildung unter Berücksichtigung konkreter Medienformate wie Film, Computerspiele und Kommunikationstechnologien oder Medienbildung angesichts der ubiquitären Mediatisierung der Lebenswelt.

Diese Spannungsfelder wurden auf der Tagung vorrangig bildungstheoretisch diskutiert. Dabei schien es, als würde die Diskussion nach einer allgemeinen Legitimierung von Medienbildung suchen. Nicht unberücksichtigt blieb dabei die Frage nach dem Wie von Medienbildung. Trotz intensiver Diskussion blieben aber sowohl die Fragen nach dem Wozu, als auch jene nach und dem Wie von Medienbildung offen. Dass aber gerade das Offenhalten im Sinne einer nicht auszufüllenden Leerstelle auf Grund der Unbestimmbarkeit von Bildung und Medien begründet ist, wurde ebenso betont. Dass die Unbestimmtheit und Offenheit nicht nur ein Spezifikum in der Auseinandersetzung mit Begriffen wie Bildung und Medien ist, sondern auch eine Übersetzungsschwierigkeit zwischen Theorie und Praxis eröffnet, machte folgende Konferenzsituation deutlich: Nach einer ausführlichen Diskussion über eine mögliche theoretische Fassung von Medienbildung in Verbindung und Abgrenzung mit bildungstheoretischen Zugängen, bat eine Teilnehmerin, die sich als Medienwissenschaftlerin einerseits und Leiterin eines Medienunternehmens andererseits vorstellt, die BildungswissenschaftlerInnen sollen doch genau definieren von welchen Bildungszielen sie ausgingen. Daraufhin schallte im Seminarraum Raunen und Gelächter. Diese Reaktion verweist aber nicht auf die Unangemessenheit der Frage im Generellen. Vielmehr stellte sich der Eindruck ein, dass die DiskussionsteilnehmerInnen einerseits von der Frage peinlich berührt waren. Fast so als wüssten sie über ihre Unbeantwortbarkeit bescheid und wichen ihr gerade deswegen aus. Andererseits machte die Reaktion genau den Spalt zwischen theoretischer Bestimmung und Legitimierung und praktischer Umsetzung von Medienbildung sichtbar. Die Frage wies also deutlich – vielleicht zu deutlich – auf eine Notwendigkeit und ein Unvermögen hin, deren Aufklärung nicht-endenwollendes Ziel des Medienbildungsdiskurses sein soll, aber keinesfalls einer Vereinfachung oder Trivialisierung zum Opfer fallen darf.

Resümee

Will man also die Frage des Wozu dieser Tagung beantworten, würde ich zunächst auf den Mehrwert des Austausches heterogener Zugänge und nicht auf die vermeintliche Chance der Beantwortung der angestrebten Fragestellung verweisen. Spezifikum der diesjährigen Tagung war, dass die Interdisziplinarität und der Austausch zwischen Wissenschaft und Theorie einerseits und Praxis andererseits erlaubt hat, die blinden Flecken des jeweils anderen auszuleuchten und heilbringend den Finger in die Wunden zu legen.

In Summe eine spannende und anregende Konferenz. Danke an das Organisationsteam.

(Nina Grünberger)