„Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“

Der Risikokommunikation in der Medizin, also der sachlichen und gesellschaftlichen Reflexion über Risiken, widmete sich ein von Dr. Cornelia Feyrer organisierter Workshop im Rahmen der Österreichischen Linguistiktagung in Innsbruck.
Dr. Cornelia Feyrer (Institut für Translationswissenschaft), die Organisatorin des Wo …
Dr. Cornelia Feyrer (Institut für Translationswissenschaft), die Organisatorin des Workshops

Von „Fachchinesisch“ bis „Slang“ reichen die sprachlichen Mittel, mit denen in der Medizin über Risiken gesprochen bzw. geschrieben wird. Der Risikokommunikation in der Medizin, also der sachlichen und gesellschaftlichen Reflexion über Risiken, widmete sich ein von Dr. Cornelia Feyrer organisierter Workshop im Rahmen der Österreichischen Linguistiktagung in Innsbruck am 27. Oktober 2012. Mitveranstaltet wurde er vom Frankreich-Schwerpunkt der Universität Innsbruck, gefördert von der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät.

Es begann mit einem Vortrag von Jean-Pierre Goudaillier (Univ. Paris 5 Sorbonne) über die umgangs­sprachlichen Bezeichnungen für Geschlechtskrankheiten: Namen wie „französische“ oder „napoletanische“ Krankheit zeigen die historische Kulturgebundenheit von medizinischen Termini. Alicja Kacprzak aus Łódź gab dann einen Überblick über Risikokommunikation einst und heute, von den Pest-Warnungen der Kirche im Mittelalter bis zur noch gut erinnerlichen Vogelgrippe: Meist spielen wirtschaftliche und (gesundheits)­politische Faktoren in der medial aufbereiteten Risikokommunikation eine nicht zu unterschätzende Rolle. Cornelia Feyrer selbst beleuchtete interkulturelle Aspekte der Risikokommunikation und zeigte die Bedeutung von Mehrsprachigkeit, Kulturkontaktphänomenen und von TranslatorInnen als AkteurInnen in der Risikokommunikation auf. Leona Van Vaerenbergh aus Antwerpen befasste sich mit der Verständlich­keit von Beipacktexten von Medikamenten und stellte ein eigens für die Optimierung von Packungsbeilagen entwickeltes Tool vor. Anastasia Parianou aus Korfu untersuchte in ihrem Beitrag Risikobotschaften im Bereich technisch-medizinischer Instruktionstexte mit besonderer Berücksichtigung von Involvement-Faktoren; und Muryel Derlon schilderte, wie sie mit ihren Studierenden der Universität Innsbruck ein Handbuch für Cochlea-Implantate ins Französische übersetzt hatte und so spezifische Faktoren der Risikokommunikation anhand eines konkreten Übersetzungsprojekts transparent machen konnte. Diese Projektarbeit stelle für die Firma und für die Studierenden eine Win-Win-Situation dar, sie wurde von allen Beteiligten als sehr praxisnah und befriedigend empfunden. Alexandra Groß aus Bayreuth analysierte Arzt-Patienten-Gespräche in der HIV-Beratung, bei denen sich herausstellte, dass nicht nur dem Arzt, sondern auch dem Patienten ein gutes Maß an Fachkompetenz zugestanden wird. Und Fiorenza Fischer von der Wirtschaftsuniversität Wien zeigte schließlich, dass das Feld der Gesundheit/Krankheit eine sehr häufige Metapher im Wirtschaftsdiskurs, besonders in Krisenzeiten, darstellt: Hört und liest man doch in letzter Zeit immer wieder, dass der „griechische Patient“ die anderen Euroländer mit seinem Krisen-„Virus“ „anstecken“ könnte.

Risikokommunikation in der Medizin ist einer der zentralen Forschungsbereiche von Dr. Cornelia Feyrer, die am Institut für Translationswissenschaft der Universität Innsbruck arbeitet und die das Thema daher in interkultureller Perspektive erforscht. Für diese Forschungen war Dr. Feyrer im Jahr 2011 mit dem Frankreich-Preis des interdiziplinären Frankreich-Schwerpunkts der LFUI (in der Kategorie Post-Doc) ausgezeichnet worden. „Das Preisgeld ist in diesem Fall für die Organisation eines Workshops zweckgebunden“, erklärt die Preisträgerin, „daher war es mir ein Anliegen, das noch kaum unter dem Aspekt von Mehrsprachigkeit und Interkultu­ralität erforschte Feld der Risikokommunikation zu vertiefen und internationale Kolleginnen und Kollegen dazu einzuladen. Dabei war es gar nicht so einfach, Linguisten und Linguistinnen zu finden, die sich damit beschäftigen.“ Die internationalen TeilnehmerInnen waren sich einig, dass dieses sehr erfolgreiche Experiment bald wiederholt werden sollte.

(Eva Lavric)