Witiko

H12


[traten zwei Gestalten aus dem Tanne hervor, und standen auf derselben Wiese wie der Reiter in nicht] großer Entfernung von ihm. Sie hielten sich mit zwei Armen die Naken umschlungen, die anderen zwei Arme hatten sie frei. Es waren junge Mädchen mit bloßen Köpfen, von deren jedem zwei Zöpfe nieder gingen. An den Armen war weißes Linnen, von den Brustlazen, die roth waren, fiel der starkfaltige [dunkle] schwarze Rok hinab. Eines der Mädchen trug wilde rothe Rosen [in einem dünnen Kranze] neben einander stehend um das Haupt. Das andere hatte keine Zierde. Da sie auf die Wiese getreten waren, und den Mann sahen, hörte [plözlich der] ihr Gesang auf. Sie blieben stehen, sahen auf ihn hin, und er [stand] gleichfalls [still stehend] und sah auf sie. Dann begann er langsam [[auf] gegen sie zuzugehen] gegen sie hin zu gehen. Sogleich trat das Mädchen, welches keine Rosen hatte, in den Wald zurük, [daß es nicht mehr gesehen werden konnte. Dem andern rief er zu: "Rosenmädchen, fürchte dich nicht."

Es blieb stehen, er näherte sich, und da er vor demselben stand, sagte er: "Warum hast du denn diese Rosen auf deinem Haupte?"

Ich bin hier in meiner Heimath," antwortete sie, "aber du bist hergekommen, was willst du denn?"

"Was ich will," entgegnete der Reiter, "nun was ich will; ich suche mein Glük."]
das andere blieb stehen. Der Reiter ging zu demselben hin. Da er bei ihm angekommen war, sagte er: "Was stehst du mit deinen Rosen hier da?"

"Ich stehe hier in meiner Heimath da," antwortete das Mädchen, "stehst du auch in derselben, daß du frägst, oder kommst du woanders her?"

["Wie kannst du dann fragen?" sagte das Mädchen] "Ich komme
anders woher," sagte der Reiter.

"Wie kannst du dann fragen?" entgegnete das Mädchen.

"Weil ich es wissen möchte," antwortete der Reiter.

"Und wenn ich wissen möchte, was du willst?" sagte das Mädchen.

"So würde ich es dir vielleicht sagen," antwortete der Reiter.

"Und ich würde dir vielleicht sagen, warum ich mit den Rosen hier stehe," entgegnete das Mädchen.

"Nun, warum stehst du da?" fragte der Reiter.

"Sage zuerst, was du willst," erwiederte das Mädchen.

"Ich weiß nicht, warum ich es nicht sagen sollte," entgegnete der Reiter, "ich suche mein Glük."

"Dein Glük? hast du das verloren?" sagte das Mädchen, "oder suchst du ein anderes Glük, als man zu Hause hat?"

["Ich will es dir sagen,"] "Ja," antwortete der Reiter, "ich [bin auf dem Wege] gehe nach einem [sehr] großen Schiksale, das dem rechten Manne ziemt."

"Kennst du dieses Schiksal schon, und weißt du, wo es liegt?" fragte das Mädchen.

"Nein," sagte der Reiter, "das wäre ja nichts Rechtes, wenn man schon wüßte, wo das Glük liegt, und nur hingehen dürfte, es aufzuheben. Ich werde mir mein Geschik erst machen."

"Und bist du der rechte Mann, wie du sagst?" fragte das Mädchen.

"Ob ich der rechte Mann bin," antwortete der Reiter, "siehe, das weiß ich noch nicht; aber ich will in der Welt das Ganze thun, was ich [kann."] nur immer thun kann."

"Dann bist du vielleicht der Rechte," erwiederte das Mädchen, "bei uns, sagt der Vater, thun sie immer weniger, als sie können. Du mußt [es] aber ausführen was du sagst, nicht bloß es sagen. Dann weiß ich aber doch noch nicht, ob du ein Schiksal machen kannst. Ich weiß auch nicht, ob du ein Schiksal machst, wenn du in unserem Walde auf der Wiese stehst."

["Das darf ich,"] "Ich darf da stehen," sagte der Reiter, "denn heute ist Sonntag, der Ruhetag für Menschen und Thiere, wenn es nicht eine Noth und Nothwendigkeit anders heischt. Mein Pferd[, das sehr angestrengt worden ist, steht unten bei den Köhlern] habe ich eingestellt. Ich bin in den Wald herauf gegangen zu beten[, und weil ihr in dem Walde keine Kirche habt - das Bild des heiligen Kreuzes auf dem breiten Berge kann doch keine Kirche sein - so habe ich meinen Gottesdienst verrichtet, wo ich sah, daß ich allein war. ich habe bei einem Baum gebethet.] Und [nun will ich für] für den übrigen Tag [den Wald anschauen, und] will ich versuchen, ob ich nicht zu dem Steine der drei Sessel hinauf gelangen kann."

"Das kannst du," sagte das Mädchen, "es geht ein Pfad hinauf, den du immer wieder leicht findest, wenn du ihn einmal [nicht siehst. Der Stein dient den Waldarbeitern als Zeichen, und wenn gejagt wird, zur Versammlung. Auch unsre Leute gehn hinauf, weil man von ihm alles übersieht] verlierst. Weil [er] aber der Stein von dem Grunde, der um ihn herum ist, wie eine gerade Mauer aufsteigt, so haben sie Stämme zusammen gezimmert, haben dieselben an ihn gelehnt, und durch Hölzer eine Treppe gemacht, daß man auf seine Höhe gelangen kann. Du mußt aber oben sorgsam sein, daß dein Haupt nicht irre wird; denn du stehst in der Luft [auf einem Steine, der hoch über alle Gipfel der Bäume ragt."] allein über allen Wipfeln."

"Bist du schon oben gestanden?" fragte der Reiter.

"Ich werde doch, da ich so nahe [wohne] bin," antwortete das Mädchen.

"Nun," sagte der Reiter, "wenn du schon oben gestanden bist, so werde auch ich oben stehen. [Ich kann auf jedem Plaze in jeder Höhe frei stehen."]" ["Das ist gut," sagte das Mädchen.]

"Und wenn du heute von den drei Sesseln herunter kommst," sagte das Mädchen, "dann reitest du morgen nach deinem Geschike weiter?"

"Ich werde weiter reiten," sagte er, "[und deine Rosen sind mir ein glüklich]1 warum hast du die Rosen?"
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1 Fortsetzung des getilgten Textes auf H/S.13